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Amnion 2: Verbotenes Wissen

Amnion 2: Verbotenes Wissen

Titel: Amnion 2: Verbotenes Wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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infolge einer Anstrengung, sondern aus Bammel. »Du hast nur noch wenig Zeit.« Sein Blick huschte von ihr durch die Kabine, schweifte unstet rundum, fiel zurück auf Morn, mied den Schwingenschlag seiner Furien. »Guter Gott, was hat er bloß mit dir gemacht?«
    Morn verspürte diffuse Aufregung. In der Kabine herrschte die Atmosphäre eines Desasters. Wenn Mackerns Augen von einer zur anderen Seite ruckten, spiegelte sich in ihrem Weiß das Licht, so daß sie schaurig schimmerten. Morn regte sich nicht in ihrer Haltung; sie merkte kaum, ob sie noch atmete. Sie hatte die abgehärmte Miene einer Wahnsinnigen. Doch die in ihr Haar gewickelten Finger beschleunigten ihren Rhythmus. Sie setzten das Zerzupfen der Strähnen mit einer Andeutung von Vehemenz fort.
    »Hör zu.«
    Mackern ging vor ihr auf die Knie, als bräche er zusammen. Jetzt war sein Gesicht mit Morns Kopf auf einer Höhe.
    »Dir bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    Sie schaute ihn so starr wie eine Erblindete an.
    Mit aller Behutsamkeit, nahezu schreckhaft, näherte er seine Hände Morns Schultern. Er berührte sie – und zuckte zurück, als wäre sie heiß genug, um ihm die Finger zu verbrennen. Er senkte den Blick auf die Knie; sein Mund verzog sich zu einem verbissenen Ausdruck. Er mußte Mühe aufwenden, um den Blick wieder zu heben. Dann faßte er sie an den Armen.
    »Er weiß nicht, daß ich hier bin. Ich habe dienstfrei. Ich habe gewartet, bis alle beschäftigt sind, damit niemand mich sieht. Vor Verlassen der Brücke habe ich seine Kontrollschaltungen für die Türen nullgestellt. Seine Kommandokonsole zeigt momentan nur an, daß du scheinbar noch eingesperrt bist. Bis er deine Tür zu öffnen versucht, merkt er nicht, was ich getan habe.«
    In gleichgültiger, blinder Begriffsstutzigkeit blinzelte Morn dem Datensysteme-Hauptoperator ins Gesicht. Alles, was er sagte, klang in ihren Ohren so verständlich und doch unenträtselbar wie das Hyperspatium.
    »Du kannst aus der Kabine gehen.« Er drohte in Verzweiflung zu geraten. »Morn, du mußt mir zuhören. Ich weiß nicht, was er an dir verbrochen hat, aber du mußt mir unbedingt zuhören. Du kannst hinausgehen.«
    Das rüttelte sie auf; es weckte etwas im dunklen Kern ihrer inneren Stille. Du kannst hinausgehen. Der verschollene oder verschüttete Teil ihres Ichs, der alles entschlüsselte, scheuchte sie mit einem zweckgerichteten Schaudern der Erkenntnis wach. Hinausgehen.
    Immer schneller drehte sie Haar um ihre Finger, riß sie sich Haare aus.
    »Ach, Morn…«
    Der Schweiß auf Mackerns Gesicht ähnelte Tränen. Ein mutiger Mann war er nicht – oder vielleicht bezweifelte er nur, einer zu sein –, aber er stand unter beträchtlichem Druck. Er hob die Hand und gab Morn einen Klaps ins Gesicht. Augenblicklich zuckte er selbst zusammen und biß sich, wohl aus Sorge, er könnte sie verletzt haben, auf die Lippen.
    Morn ließ von ihren Haaren ab, hob die Fingerspitzen zu dem Brennen auf ihrer Backe. »Er kann dich hören«, hauchte sie leise wie eine Brise. »Durch die Interkom.«
    Mackern keuchte. Voller Panik spähte er hinüber zum Interkom-Apparat.
    Als er den Blick wieder auf Morn heftete, standen in seinen Augen Anzeichen nervlicher Zerrüttung. »Es ist abgeschaltet«, flüsterte er. »Er lauscht nicht.«
    Morn atmete tief ein, als hätte sie einen Schüttelfrostanfall.
    Anklänge der Dringlichkeit durchzitterten sie. Was hatte er gesagt? Sie hatte es schon vergessen. Irgend etwas über… Hatte er gesagt, sie könnte aus der Kabine gehen?
    Hatte er zu ihr gesagt, sie hätte kaum noch Zeit?
    Sie entsann sich nicht an seinen Namen.
    Drangsal krampfte ihre Magengegend zusammen. Weit sperrte sie den Mund auf, als wollte sie ein Heulen ausstoßen.
    »Morn, bitte«, flehte Mackern. »Er macht mich alle, wenn er mich hier findet. Verdirb diese Chance nicht. Ich will sie dir nicht vergeblich geboten haben.«
    Sie hörte seine Worte. Allmählich verebbte ihre Bestürzung. Wie in gemächlichen Blasen stieg aus der Tiefe ihres Wesens die Intelligenz an die Oberfläche zurück, rückte wieder in den Vordergrund ihres Bewußtseins. Sie schluckte, ein wenig von der Blindheit schwand aus ihren Augen.
    »›Zeit‹«, murmelte sie leise. »Du hast von ›Zeit‹ gesprochen.«
    »Ja!« bestätigte er sofort, durch ihre Antwort ermutigt, mit Nachdruck. »Wir sind schon fast längsseits mit dem Amnion-Kriegsschiff Friedliche Hegemonie, bloß noch zwölf Flugstunden von Station Kassafort entfernt. Nick hat den

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