Amnion 2: Verbotenes Wissen
»Scorz wird deinen Posten gern übernehmen.«
Lind überwand seine Erregung, schüttelte den Kopf.
»Dann halt die Klappe. Wir anderen versuchen hier den Durchblick zu behalten.«
»Was machen wir als nächstes?« erkundigte Malda Verone sich bedächtig. »Habt ihr nun vor, das Virus zu isolieren, oder wollen wir erst weitere Tests durchführen?«
Nick warf ihr ein gefährliches Lächeln zu. »Wir testen die Zielerfassung. Reaktiviere deine Kontrollen. Materiekanonen Ladung zuleiten. Schalte die Zielerfassung auf die Monitoren.«
Malda wollte den Befehl ausführen, aber dann stutzte sie. »Ohne Scanning bin ich praktisch blind«, sagte sie.
»Reaktivieren, Carmel«, ordnete Nick ohne Zögern an. »Scanning mit Zielerfassung assoziieren.«
»Die Verbindung geht über dein Kontrollpult«, bemerkte Carmel. »Es könnte sein, wir verlieren die Scanningdaten genauso wie die Zielerfassungsdaten. Vielleicht sogar die Kommandofunktionen.«
»Tu, was ich sage!« Nicks Ton ließ für Argumente keinen Raum. »Willst du bei dieser Geschwindigkeit blindlings drauflosschießen? Mein Kontrollpult« – den letzten Satz fügte er einen Moment später hinzu – »haben wir ja schon überprüft.«
»Nick…« Mikka konfrontierte ihn mit ihrer unnachgiebig harten Miene. »Es kann sein, es wäre besser, das alles etwas langsamer anzugehen. Wir haben Zeit.«
Nick hob nicht die Stimme. »Ich will das Virus finden.«
Seine Erste Offizierin schwieg.
Auch sonst ließ niemand Bedenken verlauten. Carmel und Malda arbeiteten stumm, in intensiver Konzentration, vor sich hin.
Nachdem Morn im Hinblick auf ihr Kind einen Entschluß gefaßt hatte, war sie seltsam erleichtert, als hätte sie mit dieser einen Entscheidung auch ihre sämtlichen sonstigen Schwierigkeiten aus der Welt geschafft; fast fühlte sie sich beflügelt. Insofern hatte die Festlegung Ähnlichkeit damit, sich dem Einfluß des Z-Implantats zu überlassen: Sie befreite sie von ihren Ängsten, ihrer Furcht, ihren Beschränkungen, dem tiefen Abscheu, der in ihr fraß. Es bangte ihr nicht mehr davor, was als nächstes geschehen mochte.
Geschwächt durch den längerwährenden Streß, verließ sie Nicks Seite und ging zum zeitweilig verlassenen Posten des Bordtechnikers; sie lehnte ihren Rücken in die Konturen des Andrucksessels und schnallte sich an. Argwöhnisch beobachtete Mikka sie, und auch Nick schaute in heimlicher Verunsicherung kurz herüber; aber niemand äußerte Einspruch.
»Fertig«, meldete Carmel.
»Da.« Malda tippte Tasten, und auf einem der großen Monitoren erschien ein Zielraster. Phosphorgrüne Linien bildeten die Umrisse eines simulierten Angreifers, eines Raumschiffs auf Parallelkurs. Anzeigen auf demselben Bildschirm benannten Entfernung, Geschwindigkeit, Schiffstyp, Waffenstatus. Morn starrte die Daten an. Malda hatte eine Zielkonfiguration ausgesucht, die eindeutige Ähnlichkeit mit der Stellar Regent aufwies.
Die Stellar Regent war so gebaut gewesen, daß sie mehr einem Erzfrachter als einem Zerstörer geähnelt hatte. Das simulierte Ziel stellte irgendeine Art von Frachter dar.
Morn konnte sich nicht des absonderlichen, mit einer gewissen Desorientierung verbundenen Gefühls erwehren, sie müßte nun den Tod ihrer Familie noch einmal erleben.
»Feuer!« befahl Nick.
Malda drückte Tasten.
Morn meinte, sie hörte ein unterschwelliges elektronisches Seufzen, als der Bildschirm erlosch.
Von ihrem Platz aus konnte sie – an Maldas gesenktem Kopf und Wippfrisur vorbei – die Kontrollkonsole zur Zielerfassung und Waffenbedienung sehen. Sämtliche Statusindikatoren und Anzeigen waren vom Bildschirm verschwunden.
»Scheiße!« schnob Carmel. »Da haben wir’s, das Scanning ist im Arsch!«
Lind stieß ein erschrockenes Keckern aus.
Mikka Vasaczk schnauzte Instruktionen in ihren Handkommunikator, gab der Bereitschaft im Mittelbereich des Raumers durch, sie sollten Kaltstarts der Zielerfassungs- und Scanningcomputer vornehmen.
Nick verzog das Gesicht zu einem Grinsen gleichermaßen des Durchsetzungswillens und der Verzweiflung. Über seinen Narben, inmitten seiner Prellungen, glänzten heiß die Augen; er erweckte den Eindruck, als ob er fieberte. »Status«, forderte er grob. »Statusmeldung!«
Integrierte Programme nahmen die Funktionen neu auf; Maldas Kontrollkonsole setzte den Betrieb fast augenblicklich fort; das gleiche geschah an Carmels Platz. Die Scanning-Hauptoperatorin fing zu tippen an, daß das Geklacker wie Feuer aus
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