Amnion 2: Verbotenes Wissen
– verfügte nach wie vor über ihre Codes.
Darüber nachzudenken, lohnte sich für sie nicht. Die Bredouille des Raumschiffs hatte für sie jegliches Interesse verloren. Statt dessen durchdachte sie die Weiterungen der Entscheidung, ihren Sohn abzutreiben. Bei vordergründiger Betrachtungsweise gab es keine Konsequenzen. Niemand wußte über ihre Schwangerschaft Bescheid; ein Abgang des Kindes änderte überhaupt nichts. Sämtliche Folgen blieben auf sie selbst beschränkt.
Wie jede Frau hatte sie oft ans Kinderkriegen und – haben gedacht, das aufregende Erlebnis, Leben in sich wachsen zu spüren, die notwendige Pein und das Befreiungserlebnis der Geburt. Von Zeit zu Zeit hatte sie sich ausgemalt, wie es wäre, einen Sohn zu haben; sie hatte sich vorgestellt, ihn nach ihrem Vater zu nennen.
Aber auf diesem Wege sollte es nicht sein. Dies Kind verkörperte Angus’ letztes Verbrechen an ihr; es war durch Grausamkeit und Vergewaltigung gezeugt worden. Ein normaler Befehl an den MediComputer würde es entfernen. Darin sah Morn nichts anderes als Gerechtigkeit.
Und doch war das anfängliche Gefühl des Schocks und Hintergangenseins von ihr gewichen. Ihr Entschluß, das Kind abzutreiben, hatte ihr Leichtigkeit und Distanziertheit eingeflößt, ähnlich wie einer Frau, die sich zum Freitod entschlossen hatte.
»Fertig«, meldete einen Moment später Mackern mit gepreßter Stimme. »Glaub ich wenigstens.«
»Dann los!« sagte Nick.
Mackern holte tief Luft und tippte auf die Befehlstaste.
Bei Scanning und Datensystemen erfolgte gleichzeitiger Absturz der Programme.
Mackern stöhnte laut auf, schlang die Arme um seinen Kopf.
Malda sah aus, als hyperventilierte sie.
»Wir sind erledigt«, raunte Lind, in dessen weit aufgerissenen Augen Entsetzen stand. »Wir sind erledigt. Wir sind verloren.«
»Verloren«, wiederholte ratlos der Mann am Kontrollpult der Steuerung.
»Ach, nun haltet erst mal ’s Maul!« Mikkas Schultern sanken ein; sogar sie wirkte jetzt entmutigt. »Kaltstart«, sagte sie in ihren Handkommunikator. »Scanning und Datensysteme.«
Sobald Carmels Kontrollkonsole den Betrieb wiederaufnahm, probierte sie sie aus und meldete gleich darauf, daß sich an der Löschung nichts geändert hatte.
Mit sichtlicher Mühsal senkte Mackern die Arme vom Kopf. Dann aber schien bei ihm irgend etwas auszusetzen; allem Anschein nach wußte er nicht mehr, welche Tasten er drücken sollte. Mit schweißigem Gesicht glotzte er auf seine Tastatur und regte keinen Finger. »Hab ich das angestellt?« fragte er. Seine Lippen bebten. »Ist das meine Schuld?«
Unflätigkeiten murmelnd, näherte Mikka sich durch die Wölbung der Brücke seinem Sitz. Möglicherweise hatte sie vor, Mackern eine Ohrfeige zu verpassen; oder vielleicht kannte sie sich gut genug mit seinem Aufgabenbereich aus, um ihm behilflich sein zu können.
Mit einem abgehackten Wink der Hand – einer so beherrschten Geste, daß Morn sie beinahe übersah – hielt Nick seine Erste Offizierin zurück.
Mikka wandte sich von einer Stelle fast genau über Nicks Scheitel an ihn, zeigte ihm den Handkommunikator vor. »Soll ich Parmute rufen?« fragte sie. Nick schüttelte knapp den Kopf und beendete damit Mikkas Eingreifen. Er kämpfte um das Überdauern der Käptens Liebchen. Für ihn hieß das, er hatte sich persönlich um seine Leute zu kümmern.
»Mackern.«
Der Datensysteme-Hauptoperator setzte sich aufrecht hin, als hätte Nick mit einer Peitsche an seinem Rückgrat entlanggestrichen. »Tut mir leid, Nick«, sagte er, ohne seinen Kapitän anzublicken. »Ich bin nun mal nicht Orn… So gut wie er bin ich nicht. Von Computerviren hab ich keine Ahnung.«
»Mackern«, wiederholte Nick mit der Schärfe eines Filiermessers. »Ich wünsche eine Meldung.«
»Ja«, winselte Mackern. »Entschuldigung. Jawohl.«
Ein Zittern durchlief seine Schultern, während er Tasten tippte.
Sobald seine Apparate sich wieder in Betrieb befanden, testete er die datenanalytischen Kapazitäten der Käptens Liebchen. Mit Mikroprozessorgeschwindigkeit tätige integrierte Programme lieferten ihm nahezu augenblicklich Prüfresultate.
»Es ist weg.« Im allgemeinen Schweigen hatte seine Stimme einen gespenstisch hohlen Klang. »Unsere Daten… Alles.« Es mochte sein, er hätte am liebsten geschrien, aber er hatte zu große Furcht. »Alles ist gelöscht. Wir sind wirklich erledigt.«
»Gottverdammte Scheiße noch mal, Nick!« wetterte Mikka. »Ich habe dich gewarnt.«
Nicks von
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