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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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sie?
    Während Dolph auf ihre Antwort wartete, fand sie einen Ausweg. Sie entdeckte die Lösung in Ubikwes Miene, obwohl er es nicht wußte; und hätte er es geahnt, wahrscheinlich wäre es von ihm geleugnet worden. Auf ein Wort von ihr war er dazu bereit, ein Vergehen zu verüben, das ihn mitsamt der ganzen Besatzung ins Unglück stürzen müßte. Und diese Bereitschaft hegte er aus dem einfachen, schlichten, für ihn ausreichenden Grund, weil er sie kannte. Als Direktorin der Operativen Abteilung der VMKP verkörperte sie im wahrsten Sinne des Wortes eine Maßstäbe setzende Instanz: man wußte, sie war Lügen geradeso abgeneigt wie jedem Verrat, sie stand mit wahrhaft inbrünstiger Treue zu ihren Untergebenen.
    Und eben deshalb hatte sie nun keine Wahl. Sie leitete nicht die DA, nicht die Verwaltung, das Kommandozentrum oder das RÖA, sondern die Operative Abteilung. Das hieß, grob gesagt, sie gab nicht das Hirn, auch nicht das Herz der VMKP ab, sie war ihre Faust. Und eine Faust, die eigenmächtige Entschlüsse anderen Menschen aufzwang, war nichts anderes als die Pranke eines Prügelanten.
    Wenn hier Verrat vorlag, dann nicht auf ihrer Seite, sondern seitens Warden Dios’. Nicht sie bestimmte die Politik der VMKP. Sie verübte ein Vergehen anderer Art – einen Verstoß gegen ihre grundsätzlichsten Überzeugungen –, falls sie sich dahin verstieg, sich die Verantwortung für richtungsweisende Beschlüsse über die Zukunft des Menschengeschlechts anzumaßen.
    Folglich wußte sie, was sie zu tun hatte. Es war ihr zuwider; aber sie mußte so vorgehen.
    »Sie haben recht«, bestätigte sie Dolph. »Die Entscheidung obliegt mir.«
    Ihr war zumute, als zerbröckelte ihr das Herz, während sie Ubikwe den Befehl erteilte. »Senden Sie der Posaune den Funkspruch, ehe sie Massif 5 erreicht.« Auf jedem Fragment ihres Herzens schien ein Name zu stehen: Morn Hylands oder Warden Dios’ Name. »Vorher müssen Sie sie natürlich einholen.«
    Dadurch brachte sie ihn und seine Besatzung unter noch stärkeren Druck. Solange die Drallverschiebung die Navigation beeinträchtigte, mußte die Rächer enorme Anstrengungen aufwenden, um mit dem schnellen, unbeschädigten Interspatium-Scout mitziehen zu können.
    »Je früher Sie sich ins Zeug legen, um so besser.«
    Auch Dolph Ubikwes Name mochte auf einem der Fragmente stehen.
    Er allerdings wirkte jetzt nicht betroffen. Unter seinem Fett wurden die Gesichtszüge härter; er wölbte die Schultern, als müßte er Hiebe einstecken. Aber er trug keine Einwände vor, keine Beschwerde; sein Blick bezeugte keine Niedergeschlagenheit. Statt dessen, so hatte es den Anschein, während er Min musterte, versuchte er sie einzuschätzen; oder verglich sich mit ihr, fragte sich, ob er ihr je ebenbürtig werden könnte.
    Nach einem längeren Moment entließ er mit einem gedehnten Seufzen den Atem aus der Brust. »Scheiße, und ich dachte die ganze Zeit, ’s sei ’n Vergnügen, zu den Guten zu gehören.«
    Er blies übertrieben die Backen auf und stemmte sich vom Stuhl hoch.
    Die Willigkeit hinter der Fassade seines Sarkasmus rührte Min tiefer, als zu zeigen sie verkraftet hätte. Doch aus bloßer Dankbarkeit, weil er ihr einen Kummer erspart hatte, unternahm sie einen Versuch, zu ihm freundlich zu sein.
    »Noch etwas, Dolph.« Sie schaute ihn nicht an; sie wollte nicht, daß er ihre Miene sah. »Das nächste Mal, wenn so was vorkommt« – sie wedelte mit Dios’ Funkspruch –, »fressen Sie es nicht erst in sich hinein. Es regt Sie nur auf, und wenn Sie schlecht gelaunt sind, kann man Sie kaum ertragen.«
    »Aye, Sir, Direktorin Donner, Sir.« Seine Stimme klang, als ob er grinste. »Wie Sie wünschen.«
    Min wäre nun gerne selbst zum Lächeln fähig gewesen, aber ihr innerliches Elend war viel zu groß. Sie hatte ihren Entschluß gefaßt. Sollte die Menschheit deswegen leiden müssen, gedachte sie die Verantwortung zu tragen.
    Dennoch konnte sie sich, während Kapitän Ubikwe die Kombüse verließ, um ihren Befehl auszuführen, nicht des Empfindens erwehren, daß die Folgen für Morn Hyland mehr Leid bedeuteten, als eine Sterbliche zu erdulden vermochte.

 
ANGUS
     
     
    Sobald die Posaune einen gleichmäßigen Kurs flog, eine stete Geschwindigkeit erreicht hatte und sich vom Kombi-Montan-Asteroidengürtel entfernte, hatten Angus Thermopyle und Mikka Vasaczk sich von den unmittelbaren Nachwirkungen der durch die G-Belastung verursachten Besinnungslosigkeit erholen können, und Angus

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