Amnion 4: Chaos und Ordnung
Schwierigkeiten.«
Davies blickte sie an und öffnete den Mund, um zu fragen, was sie meinte. Doch Sib stand voll unter dem Eindruck seiner eigenen Befürchtungen; er glaubte, daß sie auch Morn beschäftigten.
»Ich weiß«, pflichtete er bei. »Aber ich bin der Ansicht, es ist weniger wesentlich, was Angus anstellt. Nicht Nick hat sich verändert. Er ist noch immer…« Sein Adamsapfel zuckte konvulsivisch. »Er wäre noch immer dazu bereit, jeden von uns an die Amnion zu verkaufen. Er brauchte nur ’ne Gelegenheit.«
Während Morn Brechreiz unterdrückte, gab sie Davies mit einem kurzen Wink zu verstehen, daß er still sein sollte. Ihre Erinnerungen glichen einem Schwarzen Loch: sie drohten sie einzusaugen. Sie wollte hören, was Sib zu sagen hatte; war sich alles anzuhören bereit, das sich eignete, um ihr dabei zu helfen, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
»Sib, du hast einmal erwähnt« – man merkte ihrer Stimme die Mühe an, die es sie kostete, Ruhe zu bewahren –, »du hättest gesehen, wie die Amnion mit Menschen verfahren. Du hast es als ›Greuel‹ bezeichnet.«
Sib nickte. »Ja.« Er versuchte zu lächeln, sah dadurch allerdings nur dümmlich aus. »Dieses Wort hört man von Illegalen nur selten. Aber ich weiß, wovon ich spreche.«
Er hatte alle Bereitschaft, um die Geschichte zu erzählen: soviel war offensichtlich. Doch wie wichtig es ihm auch sein mochte, er schaffte es nicht, ohne zu zappeln. Während des Redens machte er etliche Pausen, dann brachen wieder überstürzte Mitteilungen aus ihm hervor, ganz wie bei einem Menschen, der sein Elend nicht vergessen konnte. Es sah aus, als blendete es sein Augenlicht, sich an das Geschehene zu erinnern; er starrte durch Morn hindurch, als wäre er mit seiner Vergangenheit allein. »Eigentlich habe ich nie richtig auf ’n Kahn wie die Käptens Liebchen gepaßt, das weißt du, Morn… Ich bin mir sicher, du hast’s schon gemerkt, als du zu uns an Bord gekommen bist. Nick war von Anfang an der Meinung, ich hätte für so was nicht den Mumm, und da hatte er recht. Aber das ist nicht der wahre Grund, warum ich nie auf so ’n Schiff gehörte… Ich stamme aus einer Spediteursfamilie. Wir hatten unser eigenes Raumschiff… Vor rund fünfzehn Jahren.« Morn mutmaßte, daß Sib damals ungefähr so alt wie Davies gewesen sein mußte. »Und wie alle, die ’n eigenen Raumer hatten, waren wir in der Erzverfrachtung tätig. Die meisten Aufträge haben wir dort erledigt, wo wir jetzt hinfliegen, innerhalb des Massif-Systems, rund ums Kosmo-Industriezentrum Valdor. Wir hatten aber auch ’n kleinen Ponton-Antrieb, deshalb konnten wir uns gelegentlich lukrativere Aufträge aussuchen. Reich wurden wir nicht gerade, aber schlecht ging’s uns auch nicht…«
Geradeso wie Morn schien es ihm in der Kombüse wärmer zu werden. Langsam bildeten sich an seinen Schläfen Schweißtropfen und rannen die Wangen hinab.
»Auf unserem letzten Flug holten wir eine Ladung Selen und den Großteil des Bergwerkpersonals eines Montanbetriebs vom Mond eines Planeten, der den Kleinen Massif 5 umkreist. Der Planet befand sich nahezu auf maximalem Abstand vom Industriezentrum Valdor, aber sein Orbit sollte ihn demnächst zwischen den beiden Sonnen hindurchbewegen, und genausogut hätte man ihn in ’n Schmelzofen stecken können. Die Mine mußte für wenigstens ein, zwei Jahre aufgegeben werden. An sich gab’s damit keine Probleme, wir nahmen die Arbeiter an Bord, und dazu soviel Selen, wie wir bunkern konnten, und schlugen um die Doppelsonne ’n Kurs nach Valdor ein. Allerdings mußten wir ’ne außergewöhnlich weite Kurve fliegen, weil uns ’n besonders gefährlicher Asteroidenschwarm im Weg war, und dadurch gelangten wir näher an die Randzonen des Systems, als es uns behagte… Zu weit ab von den hauptsächlichen Frachtrouten und den VMKP-Patrouillen, als daß wir uns wohl in unserer Haut gefühlt hätten. Nun hatten wir aber schon, wenn’s sich nicht anders einrichten ließ, öfters solche Umwege gemacht. Wir sahen keinen Grund, warum es diesmal nicht gutgehen sollte. Der Flug mußte um ein, zwei Monate verlängert werden, aber dann konnten wir wieder auf Reede liegen.«
Auch auf seiner Stirn sammelte sich Schweiß. Nässe färbte seine Brauen dunkel. Mit dem Handrücken wischte er sich die Schweißschicht ab; anschließend verklammerte er die Finger.
»Dieses Mal kam es natürlich anders. Diesmal stellte sich ’n Radarecho, das zunächst bloß ’n Steinklotz
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