Amnion 4: Chaos und Ordnung
Gewebemutation sagen können –, »die sich eventuell genau mit dem decken, was Sie sich vorstellen.«
Wenn dieser Köder Nick nicht weiterhalf, nutzte nichts mehr.
Das ist so, weil du mein Sohn bist.
Naturgemäß waren Angus’ Zonenimplantate nicht dazu imstande, buchstäblich seine Gedanken zu lesen. Sie erkannten eine bestimmte Anzahl spezifischer synaptischer Grundmuster, doch vorwiegend deuteten sie seine mentale Verfassung anhand des Auftretens einzelner Neurotransmitter, der Veränderungen in der Zusammensetzung seines Bluts. Sie übten ihre Kontrollfunktion direkt durch Einwirkung auf seine motorischen Zentren aus. Die vieldeutigen Bestrebungen seiner Willenskraft zu korrigieren – oder nur zu verstehen –, waren sie unfähig.
Weil du immer mein Sohn bleibst.
Kannst du mich hören, Isaak?
»Geschafft!« krakeelte auf einmal Nick. »Ich hab’s geschafft!«
Er drehte sich im Kommandosessel seinem Ersten Offizier zu, als erwartete er, daß Angus sich beeindruckt zeigte.
»Sie lassen uns durch. Da.« Voller Triumph wies er auf ein soeben auf einem Display sichtbar gewordenes Schema. »Das ist unser Kurs vorbei an den Kanonen. Gerade kommt alles an…« Er las die Anzeigen ab. »Anflugsprotokolle, Flugverkehrs- und Navigationsinformationen, Trajektoriedaten, alles, was wir brauchen. Wenn Vector nun keinen Scheiß baut, sind wir endlich reich. Beckmann wird mit beiden Pfoten Kredit-Obligationen über uns ausschütten.«
Angus gab keine Antwort; er konnte es nicht. Seine Aufmerksamkeit war ausschließlich nach innen gerichtet: zu grenzenlos war seine Verzweiflung, zu tief ging sein Leid, als daß er für Nick hätte Beachtung erübrigen können. Seine Hände und Füße waren ans Bettgestell gebunden, und er hatte noch nie genug Kraft gehabt, um sich zu befreien.
Nachdem sich das mentale Fenster geöffnet hatte, sagte er bei sich unablässig den Funkspruch der Rächer auf und hoffte, daß der codierte Text irgendwie durch das Fenster in den Data-Nukleus eindrang; verließ sich darauf, daß die Eigenschaft des Interncomputers, die es dem Data-Nukleus ermöglichte, Nicks Befehle zu hören und zu verstehen, vielleicht auch seine eigene innere Stimme empfing.
Nick betrachtete wieder die Anzeigen; diesmal starrte er sie an, als wären sie aus irgendeinem Grund nur verschwommen erkennbar. Im darauffolgenden Moment schrak er im Andrucksessel zurück, als hätte ihn ein Hammerschlag getroffen. Alles Blut wich aus seinem Gesicht, den Narben; weiß, so fahl wie Knochen, stierten seine Augen.
Dann fuchtelte er mit beiden Armen in der Luft und stieß einen Schrei aus, der dem Aufschrei ähnelte, der sich ihm bei der Vernichtung der Käptens Liebchen entrungen hatte das Aufheulen eines Menschen, dem das Herz brach.
Sein nächster Blick galt erneut Angus.
Abermals hatte seine Miene sich so rasch verändert, als hätte er eine Maske aufgezogen. Krasse Blässe verlieh seinen Wangen die Weißlichkeit der Augen; die Narben jedoch hatten sich wieder mit Blut gefüllt, waren so dunkel geworden, daß sie fast schwarz wirkten. Sie umrahmten seinen fahlen Blick als Kerben der Gewalttätigkeit.
»Die Sturmvogel ist dort«, raunte, nein hauchte er. »Sorus Chatelaine hat uns überholt… sie ist schon da.«
Wie im Starrkrampf ballte er die Fäuste. Eine Zuckung des ganzen Körpers warf ihn gegen die Gurte. »Diese satanische Schlampe«, sagte er als nächstes so laut und deutlich, als hätte er sich noch in der Hand; als ob er noch wüßte, was er tat. »Die Schlunze. Das ist ihr letzter Fehler. Nun kralle ich sie mir.«
Angus beendete sein innerliches Aufsagen des codierten Textteils.
Und wartete.
Nichts geschah. Er war zu schwach. Das mentale Fenster blieb aktiv, bis er es schloß; aber es änderte sich nichts.
ERGÄNZENDE DOKUMENTATION
SYMBIOTISCHE KRISTALLINE RESONANZTRANSMISSION
Jahrzehntelang hatten Theoretiker über die Möglichkeit einer ohne Zeitverlust durchführbaren Kommunikation über interstellare Entfernungen hinweg diskutiert.
In praktischem Rahmen existierte diese Möglichkeit natürlich nicht. Alle bekannten Methoden zur Übermittlung von Daten waren gleichermaßen zu wenig flexibel und zu anfällig, um in der Weite des Alls effizient zu sein. Die Wellenformen des Funks, die Photonenemissionen der Laser sowie die linearen Impulse, die in der elektronischen Telekommunikation Verwendung fanden, zeichneten sich allesamt durch Lichtkonstantheit aus (so daß sie zu langsam blieben, um bei
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