Amnion 4: Chaos und Ordnung
Gründe für die Verfolgung der Posaune. Wenn die Freistaat Eden den Interspatium-Scout angriff, würde die Rächer ihn aktiv verteidigen. Derartige Vorgänge hatte Darrin Scroyle während seiner Laufbahn schon ein paarmal miterlebt. Mehr als einmal hatte er beobachtet, daß die selbstgerechte Min Donner und der gerissene Hashi Lebwohl an gegensätzlichen Vorhaben arbeiteten. Im VMKP-HQ wußte die Rechte nicht, was die Linke tat.
Einerseits fand Darrin Scroyle das keineswegs amüsant.
Andererseits beunruhigte es ihn nicht. Ihm war es einerlei, auf wessen Seite Min Donner und Hashi Lebwohl sich in dieser Situation geschlagen hatten. Ihn interessierte nur eine Frage: Wußte man an Bord der Rächer über seinen Auftrag Bescheid? War Min Donner vor Hashi Lebwohls Absicht gewarnt worden? Wußte sie, daß er der Freistaat Eden den Code zur Entschlüsselung des Peilsignals der Posaune zur Verfügung gestellt hatte?
Falls die Rächer informiert worden war, mochte die Freistaat Eden dieses Mal bei der Auftragserledigung ungewöhnlichen Schwierigkeiten entgegensehen.
Höchstwahrscheinlich mußte der VMKP-Kreuzer als beachtlicher Opponent eingestuft werden. Seiner Reputation zufolge nahm Kapitänhauptmann Dolph Ubikwe zur VMKP-Disziplin eine laxe Haltung ein; bei der Ausführung der Befehle allerdings hatte ihn noch niemand nur der geringsten Nachlässigkeit beschuldigen können.
Wenn es Darrin Scroyle nicht gelang, die Rächer irgendwie auszutricksen, ließ sich ein Gefecht mit dem kriegsmäßig ausgerüsteten Polizeikreuzer nicht vermeiden.
Nicht daß Darrin sich davor gefürchtet hätte. Trotzdem wollte er das, wenn es sich einrichten ließ, lieber umgehen. Der mit Hashi Lebwohl abgeschlossene Vertrag schrieb ihm nicht vor, sich wie ein Dummkopf zu benehmen.
Für einen Söldner war er ein reichlich alter Knabe. Nicht nur auf der Brust, auch auf dem Kopf hatte er graue Haare. Inzwischen störte es ihn nicht mehr, einen schlaffen Schmerbauch zu haben. Wenn er seine Ischiasbeschwerden hatte, blieb er schlichtweg in der Koje liegen; sein Gefühl mißtraute den Nervenimplantaten, die sich als Abhilfe des Leidens anboten. Mittlerweile war er alt genug, um zu wissen, in Wahrheit waren im Leben die Dinge nie so einfach.
Auch diese Einsicht bereitete ihm keine Sorgen mehr. Er und sein Raumschiff behaupteten sich in ihrem kompromißlosen Dasein schon so lange, daß er sich zum Ausgleich eine relativ schlichte Denkweise angewöhnt hatte: Er konzentrierte sich auf die Komplikationen, die ihn betrafen, und ließ alles andere beiseite.
»Wie ist die Lage?«
Alesha stellte die Frage aus der Kapitänskoje, in der sie lag und darauf wartete, daß er seine Tätigkeit an der kabineninternen Datensysteme-Konsole beendete. Wie er war sie nackt. Und wie er nicht mehr jung. Mit der Zeit hatte die Bordrotation der Freistaat Eden ihre einst prallen Brüste immer tiefer sinken lassen. Ihre habituelle Ernsthaftigkeit war mit den Jahren zur Marotte geworden, so daß ihre früher so sinnige Miene der Nachdenklichkeit heute einem schrulligen Grinsen ähnelte. Sie hatte weniger Durchhaltevermögen, als sich Darrin erinnerte, und vielleicht auch verminderte sexuelle Bedürfnisse.
Dennoch hatte er sie lieb und gern. Er schätzte den Trost, den ihre weiche Haut ihm spendete, obwohl sie nicht mehr so straff war, wie er es gerne gehabt hätte; mochte den Geschmack ihrer Brustwarzen, obschon seine Zunge sie nicht mehr so schnell zum Erhärten brachte. Und ihm war ihre Weigerung wichtig, Verwicklungen außer acht zu lassen, die er ohne weiteres zu mißachten neigte.
Alesha Hardaway war seine Waffensysteme-Hauptoperatorin und gleichzeitig seine Cousine ersten Grades. So verhielt es sich oft an Bord von Söldnerraumschiffen: ihre Besatzungen hatten einen Hang zur Inzucht. Selten akzeptierten sie Außenstehende. Man konnte Fremde, die dem gleichen Codex anhingen, die gleiche Hingabe an die Gemeinschaft aufbrachten – und denen man Vertrauen schenken konnte –, nur äußerst schwer finden. Sobald Darrin aufgrund von aktionsbedingten Ausfällen oder anderen Abgängen Besatzungsmitglieder von anderen Söldnern übernommen hatte, war in den meisten Fällen, wenn Pech oder ungenügend kritische Beurteilung mitspielten, rasch zu merken gewesen, daß der Freistaat Eden die Fähigkeit schwand, ihre Aufträge verläßlich abzuwickeln. Alesha lebte von Anfang an mit ihm an Bord des Raumschiffs.
»Ungefähr wie gedacht«, antwortete er. Wie Aleshas Frage klang
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