Amnion 4: Chaos und Ordnung
nach Lichtjahren bemessenen Distanzen etwas zu taugen) und unterlagen in unterschiedlichen Graden der Verzerrung durch Gravitationsquellen, Herden elektromagnetischer Strahlung und Plasma-Emittierung, ganz zu schweigen von der Übertragung hinderlichen Hemmnissen wie Planeten- und Sonnenkugeln oder den unkartografiert durch die riesige Ausdehnung des Weltraums treibenden Staub- und Partikelwolken.
Zudem hatte die Menschheit unterdessen eine Alternative entwickelt: die Interspatium-Kurierdrohne. Indem man die zu übermittelnden Daten speicherte und als physisches Objekt durchs Hyperspatium transportierte, erzielte die Menschheit im interstellaren Nachrichtenwesen Resultate, die das Leistungsvermögen von Mikrowellen oder Lasern weit übertrafen.
In praktischer Beziehung hätte man also die Frage nach einer Möglichkeit der verzögerungsfreien interstellaren Kommunikation als unsinnig abtun können: einerseits als unverwirklichbar, anderseits als überflüssig.
Davon ließen sich jedoch Theoretiker, die sich gerne mit dem Unsinnigen beschäftigten, Unmöglichkeit leugneten und das Überflüssige hätschelten, nicht abschrecken.
Viele von ihnen rechtfertigten ihre Bemühungen mit folgenden Überlegungen: Im Normalraum bewegen sich Wellen wesentlich schneller als Objekte fort. Objekte können die Lichtgeschwindigkeit schlichtweg nicht überschreiten; sobald sie sich c annähern, unterliegen sie der Zeitdilation, bis sie im letzten, fast unerreichbaren Moment unendlich werden. Deshalb wird, je weiter Objekte sich c annähern, immer mehr Kraft erforderlich, um sie zu beschleunigen. Die letzten, beinahe unendlich kleinen Geschwindigkeitszunahmen erfordern nahezu unendlichen Energieaufwand.
Aber mittels des Interdimensionaltricks der Hyperspatium-Durchquerung konnten Objekt sich im Effekt doch viel schneller als das Licht fortbewegen. Die physikalischen Eigenschaften der Objekte erlaubten es ihnen, ins Hyperspatium überzuwechseln – wohin ihnen keine Form von Welle folgen konnte – und es intakt zu verlassen.
Wenn ein derartiger Trick sich mit Objekten praktizieren ließ – ein Kunstgriff, der durch dieselben physikalischen Eigenheiten ermöglicht wurde, die Materie strikt auf Unterlichtgeschwindigkeiten beschränkten –, weshalb sollte dann nicht ein analoger Kniff für Wellenformen zu finden sein, ein Trick, der sich die spezifischen materiellen Eigentümlichkeiten der Mikrowellen und des Lichts zunutze machte?
So lautete die Argumentation mancher Theoretiker. Allerdings blieben ihre Vorstellungen reine Spekulation, bloße Phantasiegebilde, bis die Resultate ziemlich eng spezialisierter Forschungen in bezug auf die Charakteristika gewisser Kristallstrukturen bekannt wurden.
Im Nullschwerkraft-Milieu tätige Kristallografen waren Kristalle von einer Reinheit zu konzipieren und zu fabrizieren fähig, die auf der Erde kein Produzent zustande bringen konnte; einer Reinheit, die es in der Natur nicht gab. Der ursprüngliche Forschungszweck betraf die Untersuchung der Beziehung zwischen den Kristallflächen und den Kristallkeim-Atomen, aus denen die Flächen heranwuchsen; zugrunde lag der plausible Gedanke, daß die Kristallflächen eine Art von Code repräsentierten, dessen Entzifferung wiederum neue Rückschlüsse auf die Atome selbst gestatten könnte. Und je reiner der Kristall, um so akkurater der Code. Schon bald jedoch führte das Forschungsprojekt zu der sekundären Entdeckung, daß gewisse hochreine anisotropische Kristalle, paarweise aus sich gleichen ›Zwillingsatomen‹ gewachsen, eine Eigentümlichkeit aufwiesen, die man später ›symbiotische Resonanz‹ nannte. Wenn man einen solchen Kristallzwilling mechanischem Druck ausgesetzte, um einen piezoelektrischen Effekt zu erzeugen, ergab sich beim anderen Zwilling gleichzeitig eine gleichartige Reaktion.
Es hatte den Anschein, als wären beide Kristallzwillinge am genau selben Zeitpunkt demselben Druck unterworfen, obwohl die Kristalle sich dabei in keinem physischen Kontakt befanden. Vielmehr waren die Zwillinge sogar in gesonderten Behältnissen gewachsen und voneinander durch diverse Flüssigkeiten und Barrieren getrennt.
Anschlußuntersuchungen ergaben, daß der Abstand, über den hinweg die symbiotische Resonanz wirksam wurde, eine Funktion erstens der Kristallreinheit war, zweitens der Ähnlichkeit ihrer Kristallkeim-Atome. Insbesondere wurde ersichtlich, daß bei höherer Übereinstimmung der Beschaffenheit der Kristallkeim-Atome die
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