Amnion 4: Chaos und Ordnung
führen man mir befohlen hat.« In seinen getrübten Augen schwelte Zorn. »Es ist mein Raumschiff, Direktorin«, sagte er jedoch im folgenden Moment. »Mein Problem. Ich befasse mich damit. Aber vorher brauche ich etwas von Ihnen.«
Min wartete, als wäre sie eine auf seinen Kopf gerichtete Waffe. Die Rächer war von einem dringend erforderlichen Urlaub zurückgehalten worden, um einem VMKP-Interspatium-Scout zum Massif-5-System nachzujagen – einem Raumschiff, zu dessen Kommandanten man plötzlich Nick Succorso ernannt hatte. Und das war das Resultat.
Dafür trug Dolph Ubikwe keine Verantwortung. Es fiel in Mins Zuständigkeit. Und die Verantwortung lag bei Warden Dios.
»Ich habe erwähnt, daß zweierlei vorgefallen ist«, fügte Dolph hinzu und hielt Mins hartem Blick stand. »Möglicherweise ist das zweite Ereignis das schlimmere.« Kurz schwieg er, forschte in Mins Miene. »Die Posaune«, teilte er schließlich mit, »hat das Peilsignal deaktiviert.« Min rührte sich nicht; zeigte keine Reaktion. Aber ihre Handflächen brannten, als wären darin Leuchtkugeln entzündet worden. Hätte Nick Succorso jetzt vor ihr gestanden, wahrscheinlich hätte sie ihm sämtliche Knochen einzeln gebrochen.
»Wir haben es keinesfalls aus der Ortung verloren«, versicherte Dolph rasch. »Gruppe-Eins-Peilsignale sind viel zu gründlich konzipiert, zum Donnerwetter, als daß man sie verlieren könnte. Sie übermitteln alles, was es erfordert, um sie unweigerlich wiederzufinden. Sogar wenn sie abgeschaltet werden, erfolgt darüber Mitteilung. Die Posaune« – so lautete sein Rückschluß – »versucht uns zu entwischen.«
Min betrachtete ihn, als wäre sie gegen Überraschung oder Erschrecken vollauf gefeit. »Was«, erkundigte sie sich aus dem Brennen einer inneren Glut, das sich nur wie Schmerz anfühlte, weil sie zur Untätigkeit verurteilt war, »brauchen Sie von mir?«
»Ich muß eine Erklärung haben«, brauste Ubikwe in plötzlicher Heftigkeit auf. »Ich muß wissen, wer in diesem verdammten Kuddelmuddel was und mit wem anstellt!« Doch schon im nächsten Augenblick hatte er die Fassung wiedererrungen. »Nein, lassen Sie’s gut sein. Mein Gejammer ist überflüssig. Wenn Sie Bescheid wüßten, hätten Sie mich längst eingeweiht.«
Danach bändigte er seine Emotionen mit Förmlichkeit. »Direktorin Donner«, sagte er, »im Grunde genommen muß ich nur wissen, was wir nun tun sollen. Wie können wir der Posaune folgen, wenn wir nicht wissen, wohin sie fliegt?«
In Min toste eine Lohe des Zorns. Unflätigkeiten stiegen in ihr auf, doch sie blieb stumm.
Zum Henker noch mal, Warden Dios, du irregeleiteter, geheimniskrämerischer Wichser, was verlangst du von mir?!
Natürlich war Dolphs Haltung ihr einsichtig. Eine Auseinandersetzung mit Furcht und Trotz der ausgefallenen Besatzungsmitglieder mußte so oder so für das ganze Raumschiff Folgen haben. In dem Fall, daß diese Leute sich als starrsinnig erwiesen, sie verstockt bei ihrer Verneigerung blieben, kamen sie unter Umständen ausnahmslos vors Disziplinargericht. Falls sie unter Druck einlenkten, verloren sie den Selbstrespekt – und vielleicht mehr als durch alles übrige überlebten Weltraumpolizisten die Härten des Berufs dank ihrer Selbstachtung. Weshalb sollte Dolph sich abmühen, um sie durch Überzeugung oder Einschüchterung zur Wiederaufnahme des Diensts zu bewegen, wenn die Rächer keine konkrete Aufgabe mehr zu erledigen hatte?
Wie also waren Mins Alternativen beschaffen?
Aufzugeben? Heimzufliegen? Zu vergessen, daß auch sie der Selbstachtung bedurfte? Und daß auf Fragen, die den gesamten Human-Kosmos angingen, die Lösungen bei Angus Thermopyle, Nick Succorso und Morn Hyland an Bord des Interspatium-Scouts gefunden werden konnten?
Oder sollte sie nach der Partikelspur der Posaune fahnden? Durch das ausgedehnte Sargassomeer des Doppelsonnensystems kreuzen, bis die ganze Besatzung der Rächer infolge von Streß und Erschöpfung wirklich erkrankte?
Oder den Schutzdienst des Kosmo-Industriezentrums Valdor kontaktieren, Unterstützung anfordern? Obwohl es Tage dauern mochte, bis sich Hilfe organisieren ließ?
Oder sich etwas anderes überlegen? Einen Lauschposten lokalisieren und dem VMKP-HQ eine Blitz-Anfrage nach Instruktionen schicken?
Oder sie konnte eigene Schlußfolgerungen ziehen. Alles auf die Karte ihres Urteilsvermögens oder ihrer Intuition setzen.
»Ich habe schon die Vermutung geäußert«, sagte sie, indem sie ihre Worte mit
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