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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihr in Kapselform zwischen die schlaffen Lippen geschoben hatte, war sie schon so lange besinnungslos, daß er sich allmählich fragte, ob sie je wieder aufwachte. An der Polizeiakademie hatten die Medi-Techs Anekdoten über Leute erzählt, die infolge Kat-Überdosen so tief in sich selbst versunken waren, daß sie nie ins Bewußtsein zurückkehrten.
    Er warf einen Blick aufs Chronometer der Kabine: Min mußte in vierzig Minuten die nächste Kapsel erhalten oder erwachen.
    Nach kurzem Überlegen entschied er, so lange nicht warten zu dürfen. Trotz der gefährlichen Umstände befreite er sie aus dem Anti-G-Kokon und hob sie aus der Koje.
    Sofort merkte er, daß sie ihre Bordmontur beschmutzt hatte. Niemand konnte so lange schlafen, wie sie schon schlummerte, ohne den Darm zu entleeren.
    Schlagartig löste der widerwärtige, süßliche Geruch Erinnerungen aus…
    So etwas war ihr – war ihm – schon einmal passiert. Nachdem er von Angus an Bord der Strahlenden Schönheit gebracht worden war, hatte Angus ihn, um ihn niederzuhalten, in einer Patientenkammer der Krankenstation festgeschnallt. Noch randvoll mit Entsetzen über die Havarie der Stellar Regent und die fast vollständige Ausrottung der Hyland-Familie hatte Davies oder Morn geschrien und geheult, gegen die tauben Wände angebrüllt, bis die Stimme versagte, er den Verstand verlor. Anschließend hatte Angus ihm Kat gespritzt…
    … und als er aufwachte, hatte er noch immer in dem EA-Anzug gelegen, in dem er aus dem Wrack der Stellar Regent auf die Strahlende Schönheit befördert worden war, und sein Gestank hatte die Krankenstation erfüllt, und seinen Kopf. Angus’ Macht über ihn hatte mit Mord und HyperspatiumSyndrom begonnen; mit Blut und der geistigen Klarheit der Selbstvernichtung.
    Morn wimmerte leise, während sie in den Armen ihres Sohns schlief, und drehte den Kopf zur Seite, als hätte er sie in ihren Träumen gestört. Der gedämpfte Laut und die Regung schreckten Davies auf, er fand zu sich selbst zurück.
    Plötzlich hatte er Schweißrinnsale auf den Wangen. Sein Herz hämmerte, er ränge er ums Leben. Das war Morns Geruch, ihr Schicksal, nicht seines: es war ihre Erinnerung. Ihr Alptraum…
    Wenn er den Unterschied außer acht ließ, vergaß er sich selbst, wurde er so wahnsinnig, wie sie es damals gewesen sein mußte.
    Ach, Morn…
    Zweifellos müßte er ebenso wahnsinnig sein. Dennoch klammerte er sich, solang er noch wußte, was das war, ans geistige Gesundsein. Morn brauchte ihn; das stand an erster Stelle. Den Gestank loszuwerden konnte er später auf andere Weise versuchen.
    Mit grimmiger Entschlossenheit bugsierte er ihren gewichtslosen Körper in die Hygienezelle. Sein Magen drehte sich schier um, während er ihr die Bordmontur abstreifte und Morn in die Duschkammer schob. Wenigstens diese Erinnerung blieb ihr erspart: sie schlief weiter. Er schaltete die Düsen auf Feinzerstäubung, damit sie nicht ertrank. Während das Wasser sie reinigte, schmiß er die verdreckte Bordmontur in den Müllschacht und suchte nach einer frischen Montur in passender Größe.
    Neuer ruckartiger Andruck schleuderte ihn von einer zur anderen Seite, als die Posaune abermals ein Ausweichmanöver durchführte. Jeder Schub wirkte auf Davies, als gäbe ihm ein Stunnerknüppel Alarm: er fürchte die Folgen, die bei Morn eintreten mochten. Doch der Andruck wurde nie so stark, daß er ihm schadete; wahrscheinlich war die G-Belastung also auch zu niedrig, als daß Morns Hyperspatium-Syndrom akut werden könnte.
    Als er zur Hygienezelle zurückkehrte, um nach Morn zu schauen, hörte er sie im Feuchtigkeitsnebel husten; sie war also bei Besinnung.
    »Ich bin hier.« Er sprach laut, damit sie ihn verstehen konnte. »Nick hat noch keine Durchsage gemacht, und die anderen sind, glaube ich, noch in den Kabinen, aber ich weiß, daß wir inzwischen im Asteroidengürtel sind. Ich vermute, wir treffen bald am Labor ein. Mir ging’s gegen den Strich, dir noch mehr Kat zu verabreichen, ich dachte mir, lieber riskiere ich’s, dich zu wecken.«
    »Danke«, antwortete sie nach einem neuen Hustenanfall.
    Sie war wach. Und bei Verstand. Ein plötzlich Aufwallen der Erleichterung verursachte Davies ein Schwindeln, er war den Tränen nahe, so froh fühlte er sich. Kein akutes Hyperspatium-Syndrom: diesmal nicht. Bis zu diesem Moment hatte er keinen Begriff von der Tiefe seiner Furcht gehabt. Soweit er sich entsann, hatte Morn nie versucht, sich der gefährlichen Klarheit des

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