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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ist, muß ich es ihm sagen.«
    Davies öffnete den Mund; schloß ihn. Morns Gesichtsausdruck hinderte ihn an neuen Äußerungen. Wie Angus musterte er sie, als hätte er vor, eine Frage an sie zu richten, sie um etwas zu bitten…
    Jetzt wußte Morn die Frage, die Angus wünschte, daß sie sie ihm stellte. Auf einmal war sie ihr so klar, als stünde sie auf dem Blatt geschrieben, das sie noch in der Hand harte. Doch sobald sie begriff, um was es ging, erschrak sie bis ins Mark.
    Von dem, was sie nun in die Wege leitete, hing Leben oder Tod aller Beteiligten ab: Mikkas und Ciros, Sibs und Vectors, ebenso Nicks und Angus’ sowie Davies’, und auch ihr eigenes Überleben oder Sterben. Dieser Sachverhalt war furchtbar genug. Und doch erschien der Tod auf seine Weise als relativ einfache Angelegenheit: seine Bedeutung ließ sich leicht verstehen. Angus’ Verrat und Zwangslage dagegen verwiesen auf Verwicklungen entschieden höherer, weitergehender Tragweite.
    Morn hatte sich geschworen, am Erbe ihrer Eltern festzuhalten, den Idealen ihrer Familie: sich auf die Überzeugungen zu stützen, die ihr aus dieser Quelle vermittelt worden waren; daß sie eine Polizistin im wahrsten Sinne des Wortes zu sein und zu bleiben beabsichtigte, obwohl Korruption die Weltraumpolizei besudelte, obschon Männer wie Warden Dios und Hashi Lebwohl es über sich brachten, der Menschheit insgesamt Ungeheuerlichkeiten und einzelnen Menschen beispielloses Leid zuzumuten. Gerade weil sie sich durch Schwäche und Fehlbarkeit auszeichnete, gedachte sie keine Mühsal zu scheuen, um stark zu sein.
    Doch genau das war jetzt, wie es den Anschein hatte, unmöglich geworden.
    Außerstande, den nächsten Schritt zu tun, wandte sie sich zur Seite.
    »Aber wieso geht das alles so kompliziert vor sich?« Ihre Stimme klang in den eigenen Ohren kläglich, wie ein Gejammer des Selbstmitleids; als hätte Mutlosigkeit sie überwältigt. »Wenn Warden Dios’ oder Hashi Lebwohls Plan vorsah, uns Angus’ Befehlscode zukommen zu lassen«, fügte sie dennoch hinzu, »weshalb hat man ihn uns nicht schlichtweg auf offiziellem Weg übermittelt?« Das war, wenngleich sie Angus nicht tangierte, eine äußerst wichtige, vielleicht durch und durch maßgebliche Frage. »Wieso hat erst Nick ihn erhalten? Er hätte Angus ermorden können, bevor sich die Gelegenheit ergab, den Code zu unseren Gunsten zu verwenden.«
    Davies war nahezu außer sich vor Unbezähmbarkeit oder Gereiztheit. »Auch das ist doch völlig ohne Belang.«
    Ruckartig drehte Morn ihm den Kopf zu. Ein Auflodern des Zorns verdrängte ihre Furcht. »Es spielt sehr wohl eine Rolle«, widersprach sie streng. »Für wen arbeiten wir nun? Wer will uns ausnutzen? Auf wessen Seite sollen wir stehen?«
    Weder wirkte Davies sonderlich beeindruckt, noch zögerte er mit der Antwort. »Unserer eigenen Seite«, empfahl er, als wäre er seiner Sache sicher. »Der Seite, für die wir uns entscheiden.«
    Morn bändigte den Drang, ihn auszuschimpfen. Wach auf! hätte sie ihn am liebsten angeschrien. Werde endlich erwachsen! Das VMKP-HQ ist gespalten. Vielleicht geht ein Riß durch den gesamten Human-Kosmos. Es ist denkbar, daß Warden Dios sinnvolle Befehle erteilt, aber Hashi Lebwohl sie entstellt hat, weil sie nicht in den Kram paßten. Oder daß Dios seine wahren Anordnungen vor Lebwohl verheimlichen wollte und sie deshalb in Maschinensprache versteckt hat. Oder Min Donner das Vorhaben der beiden mißbilligte, allerdings keine Insubordination riskieren mochte, und darum von ihr dem Funkspruch eigene Befehle eingearbeitet worden sind. Es ist von Belang! Wohin wir von hier aus fliegen, alles, was wir von nun an unternehmen oder versuchen, ist davon abhängig, wer will, daß Nick das Kommando über Angus ausübt. Und wer will, daß wir ihm die Macht über Angus entwinden.
    Und vom Warum.
    Aber schon ein, zwei Herzschläge später merkte sie, daß ihr Bedürfnis zu schreien schwand. Die Wut hatte ihren Zweck erfüllt: ein Teil ihrer Furcht war in Entschlossenheit umgewandelt worden. Unwissentlich hatte Davies es ihr ermöglicht, sich auf den nächsten Schritt vorzubereiten.
    Unversehens konnte sie wieder deutlich hören. Das dröhnende Wummern ihres Herzens und der lautlose Hall des Schreiens waren verflogen. Sie hörte Davies’ erregtes und Angus’ verbissenbeklommenes Atmen. Die leisehartnäckige elektronische Allgegenwärtigkeit der Kommandosysteme erreichte Morns Gehör; das Summen der Leuchtkristalle in den

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