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Amnion 4: Chaos und Ordnung

Amnion 4: Chaos und Ordnung

Titel: Amnion 4: Chaos und Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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doch zu der Zeit fiel es mir leicht, mir einzureden, es gäbe zwischen Holt Fasners Träumen und meinem Traum keinen inhärenten Gegensatz – ja sogar, daß die Weise, wie seine Träume meinen Traum begünstigten, ein Indiz für ihre gemeinnützige Natur wäre.
    In der wirren Zeit nach meinem Aufstieg zum Internschutz-Leiter ersah ich jedoch nach und nach, in Bruchstücken, gewisse Teile der Wahrheit. Damals kaufte die AM nach dem sogenannten Aufstand der Menschheit die Intertech auf. Es war die Zeit des Erstkontakts zu den Amnion und der ersten Wirtschaftsbeziehungen mit ihnen. Eine typische Zwischenzonen-Situation war entstanden. Wie nie zuvor war ich in meinem Element, gerade als ich mich mit der Einsicht abfinden mußte, daß der IS nicht nur soviel Zeit und Mühe für Industriespionage aufwandte, um die AM vor Benachteiligungen zu schützen. Vielmehr benutzte Holt Fasner gestohlene Geheimnisse, um selbst zu einem immer effektiveren Räuber zu werden.
    Zum Beispiel spielte er vom IS besorgte Informationen aus, um bestimmte politische Machenschaften aufzudecken und dadurch die FEgSag dermaßen zu desavouieren, daß sie reif für eine Fusion wurde. Und die Dateien, die der AM-Internschutz über Parlamentarier führte – über ›Stimmvieh‹ –, die Beziehungen zu diesen und jenen Wirtschaftsunternehmen hatten, lieferte Fasner die Gelegenheit zu ›chirurgischem Eingreifen‹, sobald er die Interessen der Astro-Montan AG gefährdet sah.
    Aber Erpressung ist und bleibt nun einmal Erpressung. Ich war entsetzt. Und völlig aus dem Lot geworfen. Gleichzeitig jedoch fast trunken vor Erregung über die Ereignisse, vom Zunehmen der Einwirkungsmöglichkeiten und verfügbaren Mittel des IS. Der Konflikt drohte mich zu zerreißen. Doch gerade in solchen Situationen ist Holt Fasner ein Genie. Er weiß, wann er jemanden schubsen und wann er ihn halten muß. Wann Verfuhrung und wann Gewalt ratsam ist. Er setzte sich mit mir zusammen und vertraute mir eine verschlankte Version seines bedeutendsten Traums an.
    Er träume davon, erzählte er mir, den AM-IS im Human-Kosmos in den Rang einer so einflußreichen Organisation zu erheben, daß er den einzigen ernsthaften Kandidaten für eine künftige Weltraumpolizei der Menschheit abgäbe. Könnte er sich auf meinen Rückhalt verlassen, erklärte er, würde aus dem IS die Polizeitruppe für sämtliche interstellaren Zwischenzonen.
    Damit hatte er mich trotz meiner Vorbehalte für sich gewonnen. Ich habe ihm geglaubt. Oder vielmehr, ich beschloß, ihm Glauben zu schenken. Ich benötigte einen Ausweg aus dem Konflikt zwischen Exaltiertheit und Entsetzen. Mein Wunsch, an die Wahrhaftigkeit seiner Worte zu glauben, war derart stark, daß ich wie ein Rasender daran Halt und Stütze suchte.
    Und in eben so einem Zustand unterlaufen Menschen Irrtümer. Mein Fehler hieß: Komplizenschaft. Ich ließ Holt Fasner im geheimen seine Verbrechen begehen – half ihm sogar dabei –, um weiter dem Gemeinwohl dienen zu dürfen.
    Natürlich ist das keine Entschuldigung. Es ist ganz einfach eine Schilderung. Ein warnender Hinweis. Ich schäme mich dafür, aber es könnte sich lohnen, darüber Bescheid zu wissen.
    Jahre verstrichen, bevor ich merkte, wie weit ich vom richtigen Weg abgeirrt war, und da standen mir keine sauberen Lösungen mehr offen. Ich sah nur noch eine Chance, um das durch meine Verirrung verursachte Schlechte zu bereinigen, nämlich weiterzumachen.
    Meine Komplizenschaft so weit auszubauen, wie es ging. Und alles zu tun, was in meiner Macht stand, um diese Komplizenschaft gegen den Mann zu wenden, der mich derlei Ränke zu betreiben gelehrt hat.

 
HASHI
     
     
    Durch irgendeinen quasi alchemistischen Prozeß, mit dem Hashi Lebwohl nicht gerechnet hatte und den er nicht verstand, stellte die Wärme der Sonne, die ihm auf Kopf und Schultern schien, als er auf der Erde dem Shuttle entstieg, seinen Gleichmut wieder her. Wie viele Jahre waren vergangen, seit er sich das letzte Mal den Strahlen der Heimatsonne ausgesetzt hatte? Ein Dutzend? Mehr? Jetzt leuchtete sie von einem Himmel auf ihn herab, der so klar war wie pure Unschuld. Über Hashi wölbte sich eine azurblaue Weite, die nicht einmal die jahrhundertelange Umweltverschmutzung durch die Menschheit hatte verunreinigen können. Die unermeßliche Ausgedehntheit des Blaus erinnerte ihn an etwas, das Männer und Frauen, die in Weltraumstationen lebten, allzu leicht vergaßen: an die eigene Kleinheit. Nichts im VMKP-HQ hatte

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