Amnion 4: Chaos und Ordnung
Einschlagen meiner alternativen Karriere« – Selbstironie verzog ihm das Gesicht – »war ich als Genetiker bei Intertech tätig. Ich war an dem Projekt zur Entwicklung eines Antimutagens beteiligt, bis es durch die VMKP vorzeitig beendet wurde. Nicht etwa von den Vereinigten Montan-Kombinaten, Angus – durch die Vereinigte-Montan-Kombinate-Polizei. Wir standen so dicht vor der Lösung, daß ich sie quasi schon mit Händen greifen konnte, und da hat man uns alles weggenommen. Offenbar hat die DA unsere Forschung zu Ende geführt. Andernfalls hätte Nick nie Örtlichkeiten wie Station Potential aufsuchen können. Und du« – sein Blick fiel auf Morn – »wärst kein Mensch mehr. Bestimmt haben die Amnion dir, während sie die Gelegenheit hatten, Mutagene injiziert. Hättest du dich nicht mit dem Serum geschützt, wärst du längst verändert worden.«
Morn nickte ein zweites Mal, hörte aufmerksam zu.
»Angus«, erklärte Vector, »wir haben das Mittel. Und ich weiß, wie man damit arbeitet. Mann, ich hatte damals schon einen Großteil der Vorarbeiten erledigt.« Nach wie vor stützte er sich an der Kommandokonsole, hielt allerdings den Kopf hoch erhoben, um aufrecht vor Angus zu stehen. »Ich will«, sagte er, »in ein Labor.«
Leidenschaftlicher Nachdruck verlieh seiner Stimme, obwohl er ganz ruhig sprach, eine Klangfülle, als riefe er etwas aus. »Ich möchte eine Möglichkeit, um das Medikament zu analysieren… Um die Formel und das Herstellungsverfahren herauszufinden.«
Davies war auf einmal zum Jauchzen zumute, so hell leuchtete in Morns Augen die Hoffnung. Ciro und Sib starrten Vector in tiefem Staunen an. Dagegen beließ Mikka ihre mürrische Miene Angus zugewandt, als hörte sie schon seine Weigerung.
»Und dann?« fragte Angus, als könnte Vector ihn nie im Leben zu irgend etwas überreden; als wäre keine menschliche Leidenschaft schätzenswert oder überzeugungskräftig genug, um ihn zu beeindrucken.
»Und dann will ich die Menschheit darüber informieren«, gab der Techniker mit Emphase zur Antwort. »Die Information senden. Wie eine öffentliche Bekanntmachung. Auf den üblichen Nachrichtenfrequenzen. Ich traue der Kosmopolente nicht, Angus. Sie hält das Medikament schon zu lange geheim. Und dabei benötigt die Menschheit es. Zum Donnerwetter, wir selbst benötigen das Serum. Lassen Sie uns eine Station anfliegen, die nicht den VMK gehört, eventuell Terminus, dort sollen sie’s fabrizieren und den Vertrieb übernehmen. Oder wir funken die Formel überall, wohin wir gelangen, geben sie allgemein bekannt, so daß sie nicht mehr geheimgehalten werden kann. Wie wir es durchrühren, ist mir im Grunde genommen egal. Ich will nur, daß es geschieht. Das ist meine Chance« – Abscheu zuckte um seine Lippen –, »all das wiedergutzumachen, was ich seit meinem Abschied von Intertech verbrochen habe.«
Sib hatte Nick völlig vergessen. Vectors Emotionen und die eigenen Ängste nahmen ihn gänzlich in Anspruch. »Und es ist ’ne Gelegenheit«, bemerkte er, »um den Amnion die Stirn zu bieten. Ich meine, ihnen wirklich was entgegenzusetzen, nicht bloß, wie die Bullen, darüber zu schwätzen. Nicht nur ’n paar Illegale abzuknallen, damit die VMKP ihren Handel ausweiten und noch mehr Profit einstreichen kann.«
»Ja, das ist die Idee«, sagte Davies kaum hörbar. An die Vorstellung, daß die VMKP korrupt sein sollte, konnte er sich vorerst nicht so recht gewöhnen; doch nichts hinderte ihn daran, die Großartigkeit von Vectors Einfall zu erkennen und ihn zu unterstützen.
»Einen Moment mal«, warf Mikka ein. »Du preschst zu weit vor.« Intuitiv sah Davies, daß ihr Mißmut nichts anderes war als der Argwohn einer Frau, die um einen hohen Preis gelernt hatte, wie gefährlich es sein mochte, zum unpassenden Zeitpunkt das Falsche zu hoffen. »Was du dir da erträumst, ist ja ganz schön, aber es bleibt Phantasterei, solange du nicht zeigen kannst, wie’s überhaupt klappen soll. Wo willst du denn ein Labor finden? Und wenn wir eins finden, wie sollen wir erreichen, daß wir’s benutzen dürfen?«
»Ach, das ist kein Problem.« Nicks selbstgefälliges Grinsen verriet, daß er lediglich im Sinn hatte, Angus zu veralbern, als wäre es vollständig undenkbar, daß er Vectors Überlegungen ernst nehmen könnte. »Jedes Illegalenlabor im Human-Kosmos erlaubt euch die Benutzung, wenn ihr erzählt, was ihr euch in den Kopf gesetzt habt – vorausgesetzt natürlich, ihr beteiligt es an der
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