Amnion 4: Chaos und Ordnung
gewesen, es mir klipp und klar zu sagen. Ich vermute, Josua hat Nicks Hilfe gebraucht, und daß Nick als Gegenleistung gefordert hat, Morn Hyland mit an Bord zu nehmen.«
»Warum sind sie dann noch nicht allesamt mausetot?« schnauzte Fasner ihn an. »Sind Sie völlig verblödet, oder ist das Hochverrat? Morn Hyland lebt?! Was ist in Sie gefahren? Ich hatte Ihnen befohlen, das Raumschiff zu annihilieren, falls etwas schiefgeht, es mitsamt der vollzähligen Besatzung zu vernichten. Wollen Sie mir einreden, es sei nichts schiefgelaufen? Weshalb hat Ihre dämliche Min Donner meine Anordnung nicht befolgt?«
»›Verrat?!‹« schnob Warden finsteren Blicks. »Wahrhaftig, das gefällt mir. Sie haben mich noch gar nicht bis zu Ende angehört, und schon bezichtigen Sie mich des Hochverrats. Wollen Sie etwa außer acht lassen, auf was es mir tatsächlich ankommt? Möchten Sie nicht lieber warten, bis ich mit dem fertig bin, was ich zu erzählen habe?«
Holt Fasner, überhaupt keine Menschen gewöhnt, die ihm nicht aufs Wort gehorchten – und erst recht keine, die auftraten, als wüßten sie etwas besser als er –, starrte den VMKP-Polizeipräsidenten mit offenem Mund entgeistert an. Seine Augen zwinkerten, als versuchten sie Schreie auszustoßen.
»Wenn doch, dann setzen Sie sich und hören Sie mit dem Gezeter auf«, empfahl Warden, als hätte er erreicht, was er beabsichtigte. »Sonst kriegen Sie noch ’n Herzinfarkt«, warnte er Fasner, um seiner Empörung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Drache wußte, welche zweckmäßigen, aufschlußreichen Funktionen Wardens Augenprothese hatte. »So einfach ist das alles nun einmal nicht. Sie müssen mir schon ein bißchen zuhören.«
Holt Fasner schloß den Mund. Er sank in den Sessel. Für Sekunden bewirkte Verunsicherung ein Verblassen seiner Emanationen. Sich dessen unbewußt, hob er eine tattrige Hand an die Brust, als wollte er sich ans Herz greifen. Aber er war ein fähiger Gutachter der eigenen körperlichen Abläufe, des eigenen Zustands. Nahezu unverzüglich riß er sich zusammen, zeigte sich kampfbereit wie eine Bestie, die aus ihrer Höhle zum Vorschein kam.
»Direktorin Donner hat die Meldung nicht unbesehen an uns weitergeleitet«, konstatierte Warden in schneidendem Ton, um Fasner an neuen Einwänden zu hindern, »sondern sie hat sie gelesen. Sie hat genügend Verstand, um zu verstehen, was sie besagt. Sie wußte, daß ich ihr das Fell über die Ohren zöge, würde sie die Posaune eliminieren, darum hat sie’s unterlassen. Wir müssen das Schiff schonen, Fasner, wir brauchen jede der an Bord befindlichen Personen lebend.«
Ich hoffe, du riechst den Köder, du herzloser Schurke. Gib mir eine Chance.
Holt Fasner krakeelte eine Unflätigkeit. »Warden, Ihr Schicksal hängt am seidenen Faden. Um mich davon zu überzeugen, sollten Sie sich wirklich die allergrößte Mühe geben. Sonst können Sie einpacken. Sie sind amtsenthoben, ehe Sie wieder im Shuttle sitzen. Und eins kann ich Ihnen prophezeien, der nächste VMKP-Polizeipräsident wird wissen, wie man diese Hexe dazu anhält, Anweisungen auszuführen.«
»Wunderbar.« Warden beließ die Arme auf dem Brustkorb verschränkt, aber seine Stimme erinnerte an eine Peitsche. »Ich strample mich ab, um Ihnen Ihr gesamtes Wirtschaftsimperium zu retten, ganz zu schweigen von Ihrer Person. Wenn Ihnen da nichts Besseres einfällt, als mir zu drohen, erkläre ich sofort meinen Rücktritt und sehe zu, wie ›der nächste VMKP-Polizeipräsident‹ die ganze verfahrene Angelegenheit in Ordnung bringt.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne ein Zwinkern, erwiderte Warden Dios den Blick des Drachen. Fasners Kirlian-Aura lohte von Regungen der Wut, die man seinem Mienenspiel nicht ansah. Das war der Holt Fasner, vor dem es Warden bis tief ins Mark graute: der Mann, der Habgier, Haß und Wut in die feste Form höchster Konzentration ummünzte, um unangreifbar zu sein.
Doch auch Warden verstand sich auf geballte Konzentration. Seine Emotionen hingegen waren anderer Art. In leicht zusammengesunkener Haltung, als bliebe er trotz Fasners bitterbösem Blick weitgehend locker, setzte er seine Erläuterungen fort.
»Fragen Sie mich nicht nach allen kleineren Einzelheiten. Ich weiß selbst nur, was in der Meldung der Posaune steht. Aber so, wie die Dinge aussehen, bin ich wohl zu folgender Zusammenfassung imstande. Nick Succorso und Morn Hyland sind nach Station Potential geflogen, weil sie schwanger war. Ich weiß nicht,
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