Amokspiel
traumatisiert, Götz. Sie reden wirres Zeug.«
»Gut ...« Götz spuckte nochmals aus, und Ira hoffte, dass sie sich irrte. Dass sie sich die rötliche Färbung des Speichels nur einbildete.
». dann will ich mitfahren. Gemeinsam mit Leoni im Krankenwagen. Und ich entscheide, wohin es geht.« Götz gab Ira ein Zeichen, ihm zum Treppenhaus zu folgen.
»Nein, das geht nicht .« Steuer stellte sich ihnen ungeschickt in den Weg. »Wieso?«
»Wir verlieren zu viel Zeit. Außerdem ist nicht genügend Platz für alle im Krankenwagen.«
»Na klar«, Götz lächelte zynisch. Eine weitere Schmerzwelle schwappte durch seinen Körper. Tränen schossen ihm in die Augen.
»So etwas habe ich mir schon gedacht, Sie Mistkerl!« Er sah in den trüber werdenden Himmel, als ob die langsam herannahenden Regenwolken eine Lösung hinter sich herzögen.
»Dann hilft eben nur Plan B.«
»Plan B?«, wiederholte Steuer entgeistert. Götz trat noch dichter an den Einsatzleiter heran. »Nehmen Sie Ihr Funkgerät. Ich erklär's Ihnen.«
Seine Worte trafen in einem wütenden Sprühnebel auf das Gesicht des Einsatzleiters. Doch Steuer spürte nur den Pistolenlauf, den Götz ihm direkt auf die Stirn gesetzt hatte.
32.
»Das ist der reinste Wahnsinn ...«, brüllte Ira. Sie stand direkt hinter Götz, der gerade den Hebel neben seinem Sitz hochzog, um den Anstellwinkel der Rotorblätter zu verändern. Der Hubschrauber lief bereits wieder auf voller Drehzahl, und beide verständigten sich über ihre hastig aufgesetzten Kopfhörer. »Ich weiß, wie man die Kiste fliegt«, schrie er. »Aber du bist angeschossen. Du verlierst zu viel Blut.«
»Nicht mehr als Leoni!« Womit du sicher Recht hast.
Ira warf ihren Kopfhörer auf den Copilotensitz und stieg nach hinten. Leonis Liege war notdürftig mit mehreren Gepäckbändern auf der hinteren Sitzreihe fixiert worden, ihr Körper durch Decken verhüllt. Die Sanitäter, die Steuer notgedrungen wieder aufs Dach zurückbeordert hatte, schienen ihren Zustand in der kurzen Zwischenzeit etwas stabilisiert zu haben.
Ira merkte, wie der Hubschrauber an Geschwindigkeit gewann und draußen ein immer stärkerer Wind aufzog. Die Maschine flog eine scharfe Rechtskurve die Leipziger Straße hoch. Das berühmte Krankenhaushochhaus war maximal zwei Flugminuten entfernt. Für den kurzen Flug hatten sie die Schiebetüren offen gelassen. Sie hielt sich an der Lehne eines Passagiersitzes fest und beugte sich zu der Verletzen herab.
Leonis ganzer Körper machte einen friedlichen Eindruck. Still.
Zu still. Ira strich Leoni behutsam das blutdurchtränkte Haar aus dem Gesicht - und zuckte wie elektrisiert zurück.
»Götz!«, rief sie flehend. Er hatte sie nicht gehört. Der dröhnende Lärm des Helikopters verschluckte ihre brüchige Stimme.
Es verging mehr als eine Minute, in der sie hilflos auf den Boden starrte. Erst als eine kleine Turbulenz den Hubschrauber erfasste, löste sie sich aus ihrer Verkrampfung. Sie stand auf, griff sich ein Headset, das über ihr von der Decke hing, und setzte es auf, um Götz über Sprechfunk zu erreichen, als sie endgültig glaubte, den Verstand zu verlieren.
Ihr Blick fiel durch das eckige Fenster nach draußen. Es befand sich genau an der Stelle, wo Leoni gesessen hatte. Bei dem Versuch, den Piloten abzulenken, war es von Götz zerschossen worden. Jetzt bot die zersplitterte Plastikscheibe den schaurig passenden Rahmen für das, was Ira in einiger Entfernung dahinter ausmachte. »Was geht hier vor?«, fand Ira ihre Stimme wieder. Am liebsten hätte sie sich den Kopfhörer wieder heruntergerissen. Sie wollte die grauenhafte Antwort gar nicht hören.
»Wir gehen runter«, kommentierte Götz das Offensichtliche. Das Brandenburger Tor, die gläserne Reichstagskuppel, das Holocaust-Mahnmal - keines dieser Wahrzeichen war mehr in Sichtweite. Sie waren abgedreht und befanden sich nicht einmal mehr in der Nähe der Charité. Stattdessen näherten sie sich einem stillgelegten Kreuzberger Bahngelände.
33.
»Ich verstehe nicht«, sagte Ira, während die grauenvolle Erkenntnis wie eine Schere in ihrem Unterleib aufklappte und von innen an ihren Eingeweiden riss. »O doch!«, brüllte Götz zurück und drehte sich um. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. »Du verstehst alles.« Sie ballte ihre Faust zusammen und biss sich in die Knöchel, um nicht laut loszuschreien. Natürlich wusste sie es. Jetzt. Viel zu spät. Er war der Maulwurf. Götz war Schu-walows Handlanger. Wie konnte ich
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