Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)
der schönen Schauspielerin Alida Valli habe sie sich wiedererkannt. Alida Valli spielt in dem berühmten Nachkriegsfilm die Freundin des Kriminellen und Mörders Harry Lime, dargestellt von Orson Welles. In unbedingter Loyalität hält sie zu ihrem Geliebten, treu bis ans Grab.
Ruth Irene Kalder hatte nach Aussage ihrer Tochter Monika neue Beziehungen zu Männern, aber keinen habe sie so geliebt wie Amon Göth. Nach dem Krieg war sie kurz mit einem US -Offizier zusammen. Er finanzierte ihr einen Englisch-Sprachkurs. Auch als der Amerikaner wieder daheim in Texas bei Frau und Kind war, schickte er Ruth Irene Kalder regelmäßig Liebesbriefe und monatliche Schecks, bis zu ihrem Selbstmord 1983 .
1948 , zwei Jahre nach Amon Göths Hinrichtung, bat Ruth Irene Kalder die amerikanischen Behörden, seinen Nachnamen annehmen zu dürfen: Nur die Wirren am Ende des Krieges hätten eine Hochzeit verhindert.
Göths Vater Amon Franz Göth, der mit Ruth Irene Kalder in Briefkontakt stand, unterstützte das Anliegen: Er bestätigte, dass sich sein Sohn vor Kriegsende mit Ruth Irene Kalder verlobt habe. Da Amon Göths zweite Ehe schon geschieden war, durfte Ruth Irene ihren Mädchennamen «Kalder» ablegen. Sie hieß von nun an Ruth Irene Göth.
In ihren Erzählungen lebte Amon Göth fort: als Wiener Gentleman, charmant, humorvoll, leider im Krieg den Heldentod gestorben. Über die Verbrechen in der Kriegszeit sprach Ruth Irene Göth nie, darin unterschied sie sich nicht von den meisten ihrer Zeitgenossen. Als ihre Tochter Monika nicht aufhörte nachzufragen, schlug die Mutter auf sie ein.
Monika Göth beschrieb ihre Mutter als selbstbezogene, kalte Frau, die sich vor allem um ihre Schönheit kümmerte, sich später liften ließ und dabei gleich die von ihr als «jüdisch» empfundene Nase richten ließ. Eine Frau, die eine lebenslange Unzufriedenheit vor sich her trug, weil die Welt ihr zu früh ihre große Liebe genommen hatte.
Von den geraubten Reichtümern, die Amon Göth in Płaszów angehäuft hatte, scheint seine Lebensgefährtin nichts beiseitegeschafft zu haben. Ruth Irene Kalder arbeitete als Sekretärin. Zusätzlich ließ sie sich für Modeaufnahmen fotografieren, abends arbeitete sie oft noch in einer Schwabinger Bar, der «Grünen Gans». Ihre Mutter sei gern durch Schwabing getrippelt, ihr Kleid passend zum Lippenstift, ihren ebenfalls perfekt frisierten Pudel «Monsieur» an ihrer Seite, so beschrieb es Monika Göth.
Für ihre Tochter und deren Probleme habe sie sich nicht interessiert. «Die Ruth, die hat so wenig berührt», sagte Monika Göth über sie. «Gefühle gab’s nur für den Toten, für den Amon.»
*
Das Buch über meine Mutter ist eine doppelte Entzauberung meiner Großmutter. Sie wird darin gleich zweimal als herzlos und egoistisch beschrieben: in der Zeit im Konzentrationslager, an der Seite des Täters – und danach als furchtbare Mutter. Mehr noch: als eine Art Mutter-Monster, das ihr Kind vernachlässigt und schlägt. Meine Mutter klagt sie massiv an. Sie lässt fast kein gutes Haar an ihr.
Ich empfinde das meiner Großmutter gegenüber als nicht gerecht. Sie ist tot, sie kann sich nicht mehr wehren.
Gleichzeitig merkt man dem Buch an, wie intensiv sich meine Mutter ihr Leben lang mit ihr auseinandergesetzt hat. Trotz allem hatten die beiden immer Kontakt. Meine Mutter wohnte eine Zeitlang bei Irene, als sie mit mir schwanger war.
Auffällig ist, wie eng die Bindung meiner Mutter an ihre Großmutter Agnes war, die Mutter von Irene. Meine Mutter verbrachte ihre gesamte Kindheit in der Schwabinger Wohnung mit Mutter und Großmutter. Ein Dreimäderlhaushalt – drei Frauen, drei Generationen unter einem Dach. Die Männer – mein Urgroßvater und Amon Göth – waren tot.
Meine Großmutter war auf Monika und ihr gutes Verhältnis zu Agnes eifersüchtig, sie fühlte sich als Fremdkörper zwischen den beiden eng verbundenen Frauen, so steht es im Buch über meine Mutter. Agnes war in der Kindheit meiner Mutter ihr Ruhepol, ihre Stütze und ihr Halt.
Manchmal denke ich, die Dinge wiederholen sich: So wie meine Mutter ein inniges Verhältnis zu ihrer Großmutter hatte und ein schwieriges zu ihrer Mutter, so fühlte ich mich bei meiner Großmutter aufgehoben und bei meiner Mutter unwohl. Offenbar überspringt die Liebe in meiner Familie immer eine Generation.
Immer wieder betont meine Mutter, wie wichtig meiner Großmutter ihr Äußeres war: dass sie so schön war, aussah wie die junge
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