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Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)

Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition)

Titel: Amon: Mein Großvater hätte mich erschossen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Teege , Nikola Sellmair
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Mutter: «Wenn du den Kontakt zu mir einmal nicht mehr willst, respektiere ich das. Aber bitte verabschiede dich, verschwinde nicht wie in meiner Kindheit.»
    Wir telefonieren noch einige Male. Danach höre ich nichts mehr von ihr. Ich schicke ihr ein Päckchen, aber es kommt dreimal zurück, «Annahme verweigert» steht darauf. Als ich bei ihr anrufe, hebt niemand ab. Ich lasse es ewig klingeln, vergeblich.
    *
    «Shalom» steht auf dem Schild an Monika Göths Haustür, «Friede», aber Friede herrscht hier nicht.
    Monate nach ihrem Besuch mit Jennifer auf dem Nordfriedhof sitzt Monika Göth unterm Dach aus wildem Wein auf ihrer Terrasse. Ihr Mann hat Torte gebacken und Kaffee gekocht. Es ist ein warmer Spätsommertag, die Fliegen sind noch einmal herausgekommen. Monika Göth redet und redet, ab und zu klatscht sie eine Fliege tot. In wilden Schleifen erzählt sie ihre Geschichte, die nur um ein Zentrum kreist: ihre Eltern, «der Amon und die Ruth». Mal ist sie ruhig und lächelt, dann wieder zischt und schimpft sie ihre Wut über ihre verkorkste Familie heraus.
    Monika Göth sagt, sie habe immer versucht, ihre Tochter Jennifer zu schützen, sie herauszuhalten aus diesem ganzen «Göth-Mist».
    Für ihre Mutter ist Jennifer zuallererst die Tochter ihrer Adoptiveltern: Jennifer habe doch eine phantastische Mutter, was wolle sie denn plötzlich von ihr?
    Monika Göth sagt, für sie seien diejenigen die Eltern, die ein Kind aufziehen.
    Sie versteht nicht, was diese fremde Tochter von ihr will. Warum sie so unbedingt daran festhält, dass auch eine furchtbare Wahrheit besser ist als das Schweigen, auch eine kaputte Familie besser als gar keine Wurzeln.
    Monika Göth sagt, sie habe sich anfangs sehr über Jennifers Anruf gefreut, aber ihre Tochter habe ein anderes Tempo als sie. Sie habe sich regelrecht bedrängt gefühlt von Jennifers Eifer, alles wieder kitten zu wollen, die Familie wieder zusammenzuführen: Als habe ihre Tochter ein Drehbuch geschrieben, nach dessen Vorlage nun die Versöhnungsszene schnell abgedreht werden solle. Aber eine Beziehung müsse nach all den Jahren langsam wachsen. Letztlich sei es wohl auch zu spät dafür, sagt Monika Göth.
    Jennifer Teege wird ihre Mutter nur auf dem Bildschirm wiedersehen: Monika Göth gibt erneut Interviews, ein israelischer Dokumentarfilmer hat sie überredet, über ihre Rolle als Tochter von Amon Göth zu sprechen. Immer wieder absolviert Monika Göth solche Auftritte, dabei wolle sie doch eigentlich nur ihre Ruhe, sagt sie.
    Monika Göth kümmert sich jetzt um ihr Enkelkind, den Sohn ihrer Tochter Charlotte, der bei ihr aufwächst. Monika Göth sagte über ihn: «Er ist mein Leben. Ich tue für ihn, was ich gern für meinen Vater getan hätte, als er ein kleiner Junge war.»
    Charlotte hat für ihren Sohn einen jüdischen Vornamen ausgesucht und diesen dann kombiniert mit dem Namen des Großvaters: «Amon», so hat Jennifer Teeges Halbschwester ihren Sohn mit zweitem Vornamen genannt.
    *
    Ich hatte immer das Gefühl, Teil eines Mobiles zu sein: Jeder ist mit jedem über viele unsichtbare Fäden verbunden. Bewegt sich der eine, schwingen die anderen mit. Ich hänge ganz unten fest, und oben bewegen sich die Hauptfiguren.
    Die zentrale Figur ist Amon Göth. Von ihm ging das Unheil aus. Obwohl er schon lange tot ist, steht er über allem, zieht im Hintergrund die Fäden. Durch die Adoption bin ich dem Familiensystem eine Zeitlang entflohen. Ich habe friedliche Jahre erlebt. Dennoch bin und bleibe ich Teil des Ganzen, eine wichtige Figur am Rand.
    Ich habe mir gewünscht, das Mobile zu entknoten und alte Verstrickungen aufzulösen. Damit nicht immer neue schreckliche Ereignisse die Familie erschüttern.
    Vielleicht habe ich mir zu viel vorgenommen.
    Das Porträt meiner Großmutter steht in einem silbernen Rahmen auf einem Sims in unserem Haus, zusammen mit Bildern meiner Kinder und von Freunden.
    Manchmal gehe ich an Irenes Grab. Ich zünde ein Grablicht an, stelle frische Blumen in die Vase. Ich will hier nicht viel verändern: Was würde meine Mutter sagen, sie pflegt seit Jahren das Grab.
    Das letzte Mal war der Grabstein zugewachsen, aber ich wagte nicht, das Gestrüpp wegzuschneiden.

Enkel der Opfer: Die Freunde in Israel
    Where are you from – Obama family, he!?
    (Gewürzhändler 2011 in der Jerusalemer Altstadt zu Jennifer Teege)
    Ich bin wieder in Israel. Endlich.
    Tel Aviv ist größer geworden. Die Ausfallstraßen wirken doppelt so breit, neue Hochhäuser

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