Amore macchiato: Roman (German Edition)
Süße«, bemitleidet mich Riccardo liebevoll. »Aber ich habe eine Idee, um dich aufzuheitern – und mich auch.«
»Ich höre?«
»Wie wäre es mit einer Tour in die Berge?«
»In die Berge? «, frage ich überrascht. Auszeiten in Sardinien hätte ich mir ausschließlich am Strand herumliegend ausgemalt. »Was wollen wir denn da machen?«
Im Geiste sehe ich mich in schweren Wanderstiefeln bei abwechselnd sengender Hitze und brutal pfeifendem Bergwind ebenso hungrig wie erschöpft zwischen den Felsmassiven herumklettern. Ganz und gar nicht das, was ich mir unter einem romantisch-entspannten freien Tag vorstelle.
»Meine Verwandtschaft macht ein traditionelles Grillfest«, kommt die ebenso unerwartete Antwort.
»Ein Grillfest in den Bergen?«, wiederhole ich ungläubig.
Ob es das ist, was ich mir als Ausflug mit Riccardo wünsche?
»Ja, mein Großonkel schlachtet ein Schwein und grillt es nach traditioneller sardischer Art. Das muss du gesehen haben.« Er ist von dieser Idee hellauf begeistert, während ich mich nun – wenn auch nicht mehr in Wanderstiefeln – zwischen mit Innereien gefüllten Eimern herumstapfen sehe. Womöglich soll ich noch helfen, den Topf für die Blutwurst aufzusetzen, wie ich es aus alten Filmen kenne. Eine leichte Übelkeit überkommt mich.
»Riccardo«, starte ich zögernd, »ich bin mir nicht sicher, ob ein Schlachtfest die richtige Freizeitbeschäftigung für mich ist. Das arme Schwein … und überhaupt …« Ich zögere. Dass ich es für absolut verfrüht halte, gleich seiner gesamten Familie vorgeführt zu werden, behalte ich erst einmal für mich.
»Mach dir darum keine Gedanken«, wehrt Riccardo ab. »Wir fahren nur kurz hin und sagen meiner Verwandtschaft guten Tag. Wenn wir wollen, bleiben wir ein wenig, und wenn nicht, fahren wir einfach weiter. Wir nehmen meinen Wohnwagen mit, dann sind wir völlig flexibel«, schiebt er nonchalant das nächste Reisedetail hinterher.
»Du hast einen Wohnwagen?«, frage ich baff. »Wozu das denn?«
»Ein Erbstück von einem Nachbarn«, erwidert er gut gelaunt. »Ich bastle zwar mehr an dem alten Teil herum, als es zu benutzen, aber es macht Spaß, damit durch die Gegend zu fahren. Du wirst sehen.«
»Aha.«
Der Vorschlag erscheint mir von vorne bis hinten derart skurril, dass er mich direkt neugierig macht. »Na gut«, willige ich daher ein. »Dann machen wir das so.«
13.
Später stehe ich ratlos vor meinem leeren Koffer im Hotelzimmer und blicke nachdenklich aus dem Fenster. Im Innenhof des Hotels steigt gerade eine kleine Gruppe Asiatinnen aus einem Taxi aus, die sich vom Fahrer bergeweise Tüten mit den Aufdrucken der Topmarken der Haute Couture aushändigen lassen. Ohne Zweifel haben die Damen eine Mega-Shoppingtour in Porto Cervo hinter sich und kehren nun glücklich, zufrieden und in dem Glauben zurück, für den Style Sardiniens gerüstet zu sein.
Wenn die wüssten …
Erneut öffne ich den Kleiderschrank und setze mich aufs Bett, als könnte ich meine Auswahl von dort besser überblicken. Vor mir hängen Seidentops, Blusen, Röcke und Kleider, für die ich vor meiner Reise wahre Unsummen über verschiedene Ladentheken geschoben habe. Für das, was ich bisher von Sardiniens bodenständiger Welt gesehen habe, würde man mir jedoch bei einem Auftritt in den Bergen in solchen Fummeln womöglich eine Schweinshaxe an den Kopf werfen. Auch der Mythos der legendären, perfekt gestylten Italienerin sucht – jedenfalls nach allem, was ich bisher gesehen habe – noch seine Protagonistinnen. Um es mal dezent auszudrücken …
Kurz entschlossen stopfe ich eine Handvoll Unterwäsche, ein Paar Shorts und eine schlichte, kurze Bluse samt Flip-Flops in meine Handtasche. Das muss reichen.
Nun schnell los zum Abendessen mit Paula, bei dem wir die Präsentation noch mal gemeinsam durchsehen wollen, die wir den Nachmittag über zusammengebastelt haben.
In der Zimmertür kommt mir dann endlich der ersehnte Geistesblitz für die Bergtour. Ich drehe um und ziehe unter dem Bett meine wichtigste Sardinienausstattung hervor: die alten Gummistiefel von Soru. Das einzige authentische Stück, das ich besitze.
Obwohl ich erst ein einziges Mal hier war, ist es ein bisschen wie nach Hause zu kommen, als ich am Samstagvormittag die knirschende Einfahrt zu der kleinen Kirche vor Riccardos Häuschen hochfahre und direkt neben seinem parkenden Auto zum Stehen komme. Den angekündigten Wohnanhänger, eine betagte Wohnzelle mit karierten Gardinen in
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