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Amors Glücksfall (German Edition)

Amors Glücksfall (German Edition)

Titel: Amors Glücksfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Wasser
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Lottchen? Er meint sicher das Café Lottchen . Ich überlege einen Moment, scanne den Speeddating-Abend in meiner Erinnerung ab.
    „Die Blonde mit dem Riesentatoo auf dem Oberarm?“ Ich bin mir sicher, dass sie es ist und so wie Jüs Augen zu strahlen beginnen, liege ich auf jeden Fall richtig. Ich weiß nur nicht, wo das Problem ist. „Und wieso läuft da noch nichts?“ Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jü ein Problem hat, Frauen anzusprechen. Karim kommt mit dem Brotkorb zurück und reicht ihn am Tisch herum.
    „Ich will nicht darüber reden“, murmelt der unglückliche Romeo und gibt den Korb weiter, ohne sich etwas herauszunehmen.
    „Danke“, Stella legt sich und mir je ein Stück Baguette auf den Teller. „Sie ist doch süß!“, sagt sie. „Single?“ Jü zuckt mit den Schultern.
    „Ich habe sie zwei Mal gefragt, ob sie was trinken will ...“, gibt er nun doch zu.
    „Sie ist Kellnerin, Jü!“, fahre ich ihm über den Mund. Nicht zu fassen, dass er eine Kellnerin ausgerechnet auf diese Art anbaggert! „Ich muss ihn da unbedingt noch mal hinschleppen“, beschließe ich und widme mich meinem Essen.
     
    Später an diesem Abend schafft es Stella, dass ich mich ein bisschen bewege. Sie zieht mich auf die Terrasse und ich ahne, noch bevor sie zu reden beginnt, dass sie mir gleich meinen kahlen Schädel polieren wird. Wir lehnen uns an das Geländer und sehen eine Weile in die Dunkelheit. Der Regen hat aufgehört, die Luft ist warm und weich und umhüllt uns beide von allen Seiten. Mittlerweile sind auch Stellas Haare vollständig getrocknet.   
    „Sag mal, was ist mit dir los?“, beginnt sie leise.
    „Wieso?“
    „Etwas stimmt nicht. Ich weiß nur noch nicht, was es ist .“
    Ich zucke z usammen. Liegt vielleicht daran, dass gerade tatsächlich nichts stimmt, liebe Stella. Ich schweige. „So wie du vorhin mit Jü geredet hast ...“
    Ich verstehe nicht.
    „Ich wollte nur wissen ...“, falle ich ihr ins Wort. Doch statt weiterzureden, verstumme ich, sehe sie entschuldigend an.
    „Ich weiß, was du wissen wolltest. Und ich weiß auch, dass du es gut meinst“ Sie dreht ihren Kopf zu mir. „Immer das nächste Paar im Blick, nicht wahr?“ Sie schnauft.
    „Und was ist so falsch daran?“, will ich wissen, spreche die Frage allerdings nicht aus. Ich weiß nicht, auf was sie hinauswill.
    „Wie ist das: Funktioniert diese Sache mit den Blumen auch bei dir selbst?“, fragt sie nach einer Weile. Jetzt schnaufe auch ich. Karim. Auch Stella hat nichts anderes mehr im Sinn, als die Sache mit Lorenzo und ihm. Ich schließe meine Augen.
    „Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass du wieder glücklich bist“, sagt sie. „Ich auch“, denke ich. Ich will richtig glücklich sein. Aber das funktioniert nur, wenn ich diese letzten drei Paare zusammenbringe. „Ich meine richtig glücklich. So wie die Menschen, die du mit deiner kleinen Gabe glücklich machst.“
    Kleine Gabe? Ein toller Joke! Was ich als den letzten Fluch empfinde, was mir wie ein aufgezwungener Job vorkommt, von dem mein Leben abhängt, das ist für Stella und all die anderen ein toller Spaß und ein glücklicher Zufall. Eine kleine Gabe, weiter nichts.
    „Ich glaube, ich weiß, was du willst, Stella.“ Ich lasse meine Augen geschlossen, stelle mir vor, diesen einen Tag von vor über zwei Wochen habe es nie gegeben. Ich stelle mir vor, dass ich gerade zu Hause bin, mich nach dem Sport in die Badewanne lege, bei offenem Fenster. Ich betrachte den Sternehimmel und freue mich darüber, dass alles gut ist.
    „Weißt du noch, wie sehr Vassili dich verletzt hat?“ , unterbricht mich Stella. Ich richte mich auf. Sofort ist etwas da, was ich nicht kenne und was mich wissen lässt, dass die Geschichte mit Lorenzo nicht an den Haaren herbeigezogen ist. Ich denke an die letzten 48 Stunden, in denen mir kein einziges Paar ins Netz gegangen ist. Ich höre eine Stimme, die abbricht, als ich frage, was denn genau mit „dem schlimmsten Fall“ gemeint ist. Ich höre die Reifen quietschen. Die Erinnerung ist wieder da und lässt mich die Panik spüren, die mir im Taxi den Hals zugeschnürt hat. Auf meiner Stirn tauchen Schweißperlen auf, die sich auf den schnellsten Weg Richtung meiner Augen machen. Es juckt nach einer Weile. Ich setze mich auf die Bank und wische mit einer Reibbewegung den Schweiß weg.
    „Weinst du?“ Sie beugt sich vor und legt mir die Hand auf die Schulter. Erst jetzt sehe ich eine Rose zwischen uns auf der Bank.

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