ampir-Phantome
wollen wir uns die Gesellschaft doch mal anschauen, nicht wahr?«
»Ich giere danach«, flüsterte er.
***
Es gab eine Treppe, die nach unten führte und in einer Tiefe endete, die von keinem Lichtflecken erhellt wurde. Normalerweise nicht, aber jetzt war alles anders. Kein Vampir-Phantom war in der Lage, sich im Dunkeln zu bewegen. Sie brauchten Licht, und der Besitzer des Gemäuers hatte für kleine Pechfackeln gesorgt, deren Griffe in Wandhalterungen steckten. Das Pech war angezündet worden, die Feuer gaben das nötige Licht ab, dabei produzierten sie auch Rauch, der allerdings abziehen konnte, denn es gab innerhalb dieser Verlieswelt einige Fluchtwege, enge Schächte, deren Enden außerhalb der Burg lagen.
Über die unebenen Stufen gelangten sie in die Nähe ihres Ziels. Der Gang war eng. Er war auch feucht, und auf dem Boden hatte sich Wasser gesammelt, das von der Decke getropft war. Das Pech der Fackeln stank, was Justine nichts ausmachte, denn sie besaß nicht den Geruchssinn eines Menschen. Blut war etwas anderes.
Sie gab sich selbst gegenüber zu, dass sie innerlich aufgewühlt war. Es war schon toll, wie ihr Plan bisher gegriffen hatte. Es lief wirklich alles so, wie sie es sich vorgestellt hatte, und damit konnte sie sehr zufrieden sein.
Nur passte ihr diese Lorna nicht. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Gier nach Blut so stark in Lord Lionel Curtis wüten würde. Das Treffen hier auf der Burg hatte eigentlich einen anderen Hintergrund haben sollen, aber Justine Cavallo machte sich keine Sorgen. Sie war bisher mit jedem Problem fertig geworden.
Der Gang endete vor einer Tür. Sehr breit war sie nicht und man hatte sie auch nicht verschlossen.
Vor ihr blieb Sir Lionel stehen und drehte sich um. »Wir sind da!«
»Das weiß und sehe ich. Öffne die Tür!«
»Ja, natürlich!«
Er brauchte nur zu ziehen, um das neue Bild freizulegen, das so gar nichts mit dem altem hier im Gang zu tun hatte. Was früher mal in diesem Verlies geschehen war, konnte sich Justine vorstellen, aber jetzt hatte sich hier einiges verändert.
Nicht, was die schmutzigen und Rauch bedeckten Wände anging. Es hatte mehr mit den Menschen zu tun, die sich hier aufhielten, und das waren vier Männer und eine Frau.
Auch hier flackerten Fackeln an den Wänden, deren Licht über die Kutten der Männer hinwegstreute und sie zu Wesen machte, die wie aus einer Totenwelt stammend erschienen.
Aber es gab ein Zentrum.
Und zwar Lorna!
Eine nackte Frau, die auf dem Boden kniete. Von ihr sah Justine nur den Rücken und die blonden Haare. Am Hinterkopf malte sich das dunkle Tuch einer Augenbinde ab.
Ob sich die Anwesenden unterhalten hatten oder nicht, das war der blonden Bestie egal. Jetzt erlebte sie das große Schweigen, denn es traute sich niemand, ein Wort zu sagen.
Es gab auch kaum Bewegungen, abgesehen vom Zucken der nackten Schultern der Gefangenen.
Gefesselt war Lorna nicht, obwohl sie in einer so steifen Haltung auf dem Boden kniete. Wie Stöcke hingen ihre Arme an beiden Seiten des Körpers herab.
Als Justine und der Lord das Verlies betreten hatten, waren die anderen vier Männer zur Seite gewichen. Da auch sie ihre Kapuzen in die Höhe über den Kopf gezogen hatten, boten sie ein Bild, das ins Mittelalter gehört hätte, wo manche Mönche bei den Henkern standen, um den Delinquenten ein letztes Gebet abzunehmen.
»Es hat sich nichts verändert«, flüsterte Curtis der Blutsaugerin zu.
»Das sehe ich wohl.« Sie wollte vorgehen, ließ es dann bleiben und fragte:»Ja, da wäre noch etwas. Weiß diese Lorna, wer sie entführt hat?«
»Ich denke nicht.«
»Du bist dir nicht sicher?«
»Nicht hundertprozentig, nein.«
»Und?«
Der Lord wusste genau, worauf die Cavallo hinauswollte. »Wir haben uns noch nicht entschieden. Es kommt darauf an, was mit ihr passiert, verstehst du? Dass wir keine Zeugen gebrauchen können, steht fest. Vielleicht müssen wir da etwas tun.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.« Justine lächelte breit. Mitleid verspürt sie nicht.
Dafür trat sie endlich vor. Sie ging um die Nackte herum und blieb vor ihr stehen.
Nicht alles war von Lorna’s Gesicht zu sehen. Die breite Augenbinde reichte von der Stirn bis an das Ende der Nase. Darunter malte sich ein Mund mit schön geschwungenen Lippen ab, der allerdings jetzt zuckte und sich immer wieder zusammenzog.
Justine schaute genauer hin.
Sie sah und nickte.
Es war ja vorauszusehen gewesen. Die Kerle hatten ihr Opfer gepackt und auch
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