Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
teuer, obwohl wir seine Freunde waren, aber er war auch sehr gut.»
«Freunde», sagte der Commissaris. «Enge Freunde. Sie waren mit Abe eng befreundet, nicht wahr, Mijnheer Bezuur?»
«Das war ich», sagte Bezuur und hatte wieder diesen sprudelnden Ton in seiner Stimme, aber jetzt schien er den Tränen nahe. «Der Hund ist tot.»
«Sie waren bis gestern eng miteinander befreundet?»
«Nein», sagte Bezuur. «Wir verloren den Kontakt. Er ging seiner Wege, ich meiner. Ich habe jetzt ein großes Geschäft und keine Zeit, auf dem Straßenmarkt zu stehen, aber es hat mir früher viel Spaß gemacht.»
«Seit wann sind Sie beide Ihre eigenen Wege gegangen?»
«Waschpieltas fürne Rolle?» sagte Bezuur. Und mehr kriegten sie für eine Weile nicht aus ihm heraus. Er weinte jetzt und hatte noch eine Flasche geöffnet, von der er die Hälfte auf den Fußboden verschüttete. Der Anfall dauerte einige Minuten.
«Verscheiung», sagte Bezuur.
«Schon gut», sagte der Commissaris und rieb sich die Beine. «Wir verstehen. Und es tut mir leid, daß wir Sie belästigen.»
«Was haben Mijnheer Rogge und Sie an der Universität studiert?» fragte Grijpstra. Bezuur schaute auf, er schien sich wieder ein wenig gefaßt zu haben und sprach jetzt wieder deutlicher.
«Französisch. Wir haben Französisch studiert.»
«Aber Sie waren nicht so gut in Sprachen. Sagten Sie das nicht?» fragte der Commissaris.
«Aber auch nicht zu schlecht», sagte Bezuur. «Gut genug. Französisch ist eine logische Sprache, eine sehr exakte. Vielleicht hätte ich Naturwissenschaften vorgezogen, aber das hätte die Trennung von Abe bedeutet, wozu ich damals nicht bereit war.»
«Haben Sie hart studiert?»
«Auf die gleiche Art und Weise, wie wir das Gymnasium absolvierten, ich jedenfalls. Abe war enthusiastischer. Er las alles, was er in der Universitätsbibliothek finden konnte; er fing mit dem obersten Regal links an und hörte mit dem untersten rechts auf. Wenn ihn die Bücher nicht interessierten, blätterte er darin und las ein bißchen hier und da ein bißchen, aber häufig las er das ganze Buch. Ich las nur, was er für mich aussuchte, Bücher, von denen er sprach.»
«Und was haben Sie beide sonst noch getan?»
Bezuur starrte auf das Porträt. Der Commissaris mußte die Frage wiederholen.
«Sonst noch? Oh, wir liefen so herum. Und ich hatte damals ein großes Boot; wir segelten auf den Seen. Und wir reisten. Abe hatte einen kleinen Lieferwagen, wir fuhren nach Frankreich und Nordafrika. Und einmal überredete ich meinen Vater, uns eine Passage auf einem alten Trampschiff zu kaufen, das in die Karibik nach Haiti fuhr. Man spricht dort französisch, und ich sagte, wir brauchen diese Erfahrung für unser Studium.»
«Ihr Vater hat auch Abes Passage bezahlt? Hatte Abe nicht selbst Geld?»
«Ein wenig. Deutsche Wiedergutmachung. Die Deutschen zahlten nach dem Krieg, wissen Sie, sie hatten seine Eltern umgebracht. Er bekam eine ganze Menge, Esther ebenfalls. Abe wußte mit Geld umzugehen. Er betrieb nebenbei ein kleines Geschäft. Er kaufte und verkaufte damals antike Waffen.»
«Waffen?» fragte der Commissaris. «Er hatte nicht zufällig einen Morgenstern, oder?»
«Nein», sagte Bezuur, als er die Frage erfaßt hatte. «Nein, nein, Kavalleriesäbel und Bajonette, so etwas. Glauben Sie, daß er mit einem Morgenstern ermordet wurde?»
«Schon gut», sagte der Commissaris. «Hat er Ihnen je auf der Tasche gelegen?»
Bezuur schüttelte den Kopf. «Nein, eigentlich nicht. Er hat die Passage nach Haiti akzeptiert, sich aber in anderer Weise dafür revanchiert. Er verließ sich nur auf sich selbst. Er borgte sich manchmal Geld, zahlte es aber immer fristgemäß zurück, und später, als ich ihm große Kredite gab, zahlte er die vollen Bankzinsen. Die Zinsen waren seine Idee. Ich habe nie welche verlangt, er sagte jedoch, ich hätte ein Recht darauf.»
«Warum hat er nichts von der Bank geliehen?»
«Er wollte nicht, daß seine Transaktionen über die Bücher liefen. Er lieh sich Bargeld und zahlte bar. Er gab vor, ein kleiner Straßenhändler zu sein, der von seinem Marktstand lebte.»
Der Commissaris warf Grijpstra einen Blick zu. Grijpstra stellte die nächste Frage.
«Warum haben Sie beide Ihr Studium aufgegeben?»
Bezuur schaute seine Bierflasche an und schüttelte sie. «Ja, zum Schluß haben wir aufgegeben. Es war Abes Idee. Er sagte, der akademische Grad sei purer Blödsinn, er qualifiziere uns, Schullehrer zu werden. Wir hatten
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