Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
verharrten an der kleinen, dicken Nase. Es war sehr heiß. Grijpstra schwitzte ebenfalls.
Ein großer Mann, dachte Grijpstra. Über einsachtzig, er muß eine Tonne wiegen. Er wird mit Leichtigkeit täglich hundert Gulden für Essen ausgeben. Vermutlich schüsselweise Cashew-Nüsse und Garnelen und ein oder zwei Eimer Kartoffeln oder Spaghetti und obendrein einen Laib Brot. Brot belegt mit gebratenen Pilzen und Räucheraal und dicken Schinkenscheiben.
Bezuur streckte die Hand aus und griff nach einer Flasche Bier in einem Karton neben seinem Sessel. Er machte den Kronenkorken ab und füllte sein Glas. Der dichte Schaum stieg schnell hoch, floß über und ergoß sich auf den dicken Teppich.
«Noch Bier, meine Herren?»
Der Commissaris schüttelte den Kopf. Grijpstra nickte. Bezuur riß von einer anderen Flasche die Kapsel ab. Der Teppich saugte noch mehr Schaum auf. «Bitte, Adjudant.»
Sie schauten einander in die Augen und hoben ihr Glas, wobei beide gleichzeitig brummten. Bezuur leerte sein Glas. Grijpstra nahm einen sorgsam bemessenen Schluck; es war sein drittes Glas. Bezuur hatte sechs gehabt, seit sie ins Zimmer gekommen waren. Grijpstra setzte das Glas behutsam ab.
«Er ist tot, dieser Hund», sagte Bezuur und knallte böse das Glas auf die Marmorplatte des Beistelltisches. Es zersprang, er schaute es mißmutig an. «Der blöde, dumme Hund. Aber vielleicht war er klug. Er sagte immer, der Tod sei ein Trip, und er reiste gern. Er sprach viel über den Tod, sogar schon als Junge. Er redete viel und las viel. Später trank er auch viel. Mit siebzehn Jahren war er Alkoholiker. Hat Ihnen das jemand gesagt?»
«Nein», sagte Grijpstra. «Erzählen Sie.»
«Alkoholiker», wiederholte Bezuur. «Er wurde einer, nachdem wir uns an der Universität immatrikuliert hatten. Wir waren immer zusammen, in der Schule und an der Uni. Wir machten unser Abitur mit sechzehn. Wunderkinder waren wir. Wir haben nie gearbeitet, aber die Prüfungen immer bestanden. Ich war gut in Mathematik und er in Sprachen. Wenn wir überhaupt arbeiteten, dann zusammen. Wir waren ein außerordentliches Gespann; niemand und nichts konnte uns auseinanderreißen. Wir arbeiteten nur, wenn wir in eine Prüfung gingen, und auch dann steckten wir nur das bloße Minimum hinein. Es war Stolz, glaube ich. Angabe. Wir gaben vor, im Unterricht nicht aufzupassen, aber wir nahmen alles auf und erinnerten uns auch an den Stoff. Und wir machten insgeheim Notizen auf kleinen Zetteln; wir hatten keine Schulhefte wie die anderen Kinder. Und keine Hausaufgaben, die waren für die Katz. Wir lasen. Aber er las mehr als ich, und an der Uni begann er zu trinken.»
«So?» fragte Grijpstra.
«Ja.»
Bezuurs Hand schoß vor, eine weitere Flasche verlor ihre Verschlußkapsel. Er schaute auf das zersprungene Glas, drehte sich um und warf einen Blick auf die Küchentür. Er mußte noch mehr Gläser in der Küche haben, aber sie war ihm zu weit entfernt. Er trank aus der Flasche und warf die Kapsel auf den Boden. Er schaute auf Grijpstras Glas, aber das war noch halbvoll.
«Ich glaube, er trank jeden Tag eine Flasche aus. Genever. Er trank jede Marke, solange der Schnaps nur kalt war. Eines Tages konnte er sich morgens die Hose nicht mehr anziehen, seine Hände zitterten zu sehr. Er dachte, es sei komisch, aber ich machte mir Sorgen und schickte ihn zum Arzt, der ihm sagte, er solle mit dem Trinken aufhören. Er tat es auch.»
«Wirklich?» fragte Grijpstra. «Er hat mit dem Trinken aufgehört? Einfach so? »
«Ja. Er war klug. Er wollte kein Trinker sein; es würde seine Routine komplizieren.»
«Hat mit dem Trinken sofort aufgehört, Mann o Mann …» sagte Grijpstra und schüttelte den Kopf.
«Ich sagte ja, er war klug», sagte Bezuur. «Er wußte, es würde schwierig sein, die Gewohnheit aufzugeben, also unternahm er einen drastischen Schritt. Er verschwand für eine Weile, drei Monate waren es, glaub ich. Er ging zu einem Bauern arbeiten. Als er wiederkam, war er davon frei. Später begann er wieder zu trinken, aber dann wußte er, wann er aufhören mußte. Er brach beim dritten oder vierten Glas ab und trank alkoholfreies Zeug.»
«Bier?»
«Bier ist nicht alkoholfrei. Nein, Limonade, selbstgemachte. Er machte viel Getue damit, preßte die Früchte aus, gab Zucker dazu. Bei Abe mußte alles perfekt sein.»
Bezuur kippte die Flasche noch einmal, aber sie war leer, und er knallte sie auf den Tisch. Die Flasche zersprang. Er starrte sie an.
«Sie sind
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