Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Mijnheer?»
Der Commissaris nickte.
«Aber eine Maschine, die eine Kugel wirft oder abschießt, macht ein Geräusch. Oder wurde dazu vielleicht eine Feder verwendet? Oder möglicherweise eine Armbrust? Aber dann würde es immer noch eine Art von Schwirren geben. Ein relativ lautes Geräusch, würde ich sagen. Die patrouillierenden Konstabel würden es gehört haben.»
«Eine Person auf dem Dach eines Hausboots, die mit irgendeiner Vorrichtung hantiert, die seltsame Geräusche von sich gibt, während die Bereitschaftspolizei in der Nähe ist …» Die Stimme des Commissaris klang zweifelnd.
«Vielleicht hat es sich anders zugetragen», stimmte Grijpstra zu.
«Aber ich bin deiner Meinung, daß die Kugel an einem elastischen Band hing», sagte der Commissaris. «Der Gedanke war sehr klug, Brigadier. Du bist richtig eingestiegen und solltest jetzt auf dieser Linie der Beweisführung weitermachen. Ich werde dir dabei helfen. Und Grijpstra und Cardozo sollten das auch tun. Es ist vermutlich ganz einfach. Alles ist einfach, sobald man es begriffen hat.» Wieder verzog er das Gesicht.
«Ist da was komisch, Mijnheer?»
Der Commissaris stöhnte und rieb sich die Oberschenkel. «Ja. Ich dachte an etwas, was neulich passiert ist. Meine Frau hatte so einen neumodischen Klappstuhl gekauft und mitgebracht. Sie hatte vergessen, wie er funktioniert. Ich habe eine Weile daran herumgefummelt, mir aber nur die Hand gequetscht. Dann kam die Tochter des Nachbarn. Sie ist geistig zurückgeblieben, aber ihr Mangel an Verstand hat sie nicht davon abgehalten, sich an dem verdammten Klappstuhl zu versuchen, und im Handumdrehen stand er da. Ich bat sie, mir zu zeigen, wie sie es gemacht hatte, aber sie wußte es nicht. Offensichtlich konnte sie ein Problem nur dann schnell lösen, wenn sie nicht darüber nachdachte.»
«Sie meinen, diese Mordvorrichtung ist wie Ihr Klappstuhl, Mijnheer?»
«Vielleicht», sagte der Commissaris. «Vielleicht sollten wir uns einfach auf das Problem konzentrieren, und die Lösung taucht dann plötzlich auf. Zum langen Nachdenken haben wir nicht viel Zeit.»
«Ja», sagte de Gier. «Sie sehen schlecht aus, Mijnheer, sollten Sie nicht nach Hause gehen?»
«Ja, ich geh jetzt auch heim. Ich möchte, daß du irgendwann heute nachmittag oder abend zwei Frauen überprüfst. Grijpstra hat Namen und Telefonnummern. Beide sind Callgirls und waren seit etwa neun Uhr gestern abend bis fünf Uhr heute früh bei Klaas Bezuur. – Grijpstra! »
Grijpstra kam herangeschlendert.
«Mijnheer?»
«Ich gehe für eine Weile nach Hause, ich fühle mich nicht gut. Ruf die beiden Damen an, die wir heute noch aufsuchen müssen. Verabrede dich für den späten Nachmittag oder den Abend. Sobald du die Verabredungen getroffen hast, kannst du dich mit meinem Fahrer in Verbindung setzen, damit er dich abholt und zu mir bringt. Es wäre am besten, wenn das eine Mädchen vor und das andere nach dem Abendessen zur Verfügung steht. Dann können wir irgendwann miteinander essen. Ich möchte mich revanchieren, weil ich dich heute gerufen habe.»
Grijpstra nahm sein Notizbuch und schrieb Namen und Adressen der beiden Mädchen auf.
«Ja, Mijnheer. Das waren Freundinnen von Mijnheer Rogge, stimmt’s, Mijnheer?»
«Stimmt.»
«Konstabel», rief der Commissaris.
«Mijnheer.»
«Nach Hause», flüsterte der Commissaris. Mehr konnte er nicht sagen. Er wurde fast ohnmächtig vor Schmerzen.
Grijpstra entdeckte de Gier, der einen Baumstamm betrachtete. Der geschmeidige Körper des Brigadiers schwankte leicht, als er da stand, die Hände auf dem Rücken verschränkt, trübsinnig die grüne Rinde der Ulme anstarrend.
Cardozo beobachtete den Brigadier ebenfalls. «Störe ihn nicht», sagte Cardozo und hielt Grijpstra zurück. «Er ist beschäftigt. Er schwankt. Guck mal.»
«Ja, du hast recht», sagte der Adjudant.
«Ist er etwa Jude?» fragte Cardozo.
«Nicht daß ich wüßte», sagte Grijpstra. «Doch, ja, ich glaube, er hat mir mal gesagt, daß er eine jüdische Großmutter hat.»
«Siehst du», sagte Cardozo, «er ist Jude. Wenn seine Großmutter jüdisch war, dann war es auch seine Mutter, und deshalb ist er ein Jude. Es geht über die weibliche Linie, was sehr weise ist. Niemand weiß genau, wer sein Vater war, aber man kann sicher in bezug auf die Mutter sein. Und Juden schwanken, sie wiegen sich immer. Das heißt, wenn sie ein Problem haben oder sich auf etwas konzentrieren. Sie tun es auch beim Beten. Vor und zurück, vor und
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