Amy on the summer road
wollen.«
»Das werdet ihr schön bleiben lassen«, fauchte sie, und nun klang ihre Stimme wie immer, wenn eine Diskussion zu
Ende war. Nur dass mich das diesmal eher anstachelte. »Du kommst augenblicklich nach Hause ...«
»Ach so, du willst also, dass wir umkehren und nach Kalifornien zurückfahren? Kein Problem.«
»Ich meinte, du kommst nach Connecticut. Das weißt du ganz genau.« Sie klang jetzt vor allem müde und traurig, als ob jemand den ganzen Ärger aus ihrer Stimme abgelassen hätte. Als ich sie so hörte, bekam ich plötzlich auch noch ein schlechtes Gewissen, zusätzlich zu meiner Wut, meiner Angst und meiner Traurigkeit.
»Wir sind bald da«, sagte ich leise. Ich weinte und gab mir kaum Mühe, das vor ihr zu verbergen. Das Schlimme daran war, dass sie meine Mutter war – und sie klang so nahe, direkt an meinem Ohr. Eigentlich wollte ich doch nur mit ihr reden, ihr sagen, wie ich mich fühlte. Alles, was ich wollte, war Trost. Dass sie mir sagte, dass alles wieder gut wird. Und nicht das hier. Nicht, wie schwer das war. Nicht diese ganzen Gespräche, die wir in den letzten Monaten hatten. Ich wollte mich nicht so weit weg von ihr fühlen. Nicht so alleine. »Mom«, sagte ich ganz vorsichtig und hoffte, dass sie sich irgendwie genauso fühlte und wir vielleicht darüber reden könnten.
»Ich werde jetzt Marilyn anrufen und ihr sagen, was ihr Sohn sich da Feines ausgedacht hat«, verkündete sie, und es klang streng und kalt. Aha, sie nahm die Dinge jetzt also in die Hand. Diesen Ton kannte ich gut. »Wenn ihr das wirklich tun wollt, bitte, viel Glück. Aber ihr solltet wissen, dass ihr von jetzt an auf euch allein gestellt seid. Und du kannst dir ganz sicher sein, dass diese Sache ein ernstes Nachspiel haben wird.«
»Okay«, sagte ich leise und fühlte mich entsetzlich müde. »Geht klar.«
»Ich bin sehr«, legte meine Mutter noch einmal nach und ihre Stimme zitterte dabei ein wenig, »sehr enttäuscht von dir.« Dann war es still und ich begriff, dass meine Mutter einfach aufgelegt hatte.
Ich starrte auf mein Handy und wusste nicht, ob ich sie einfach zurückrufen und ihr sagen sollte, dass es mir leidtat und wir so schnell wie möglich da sein würden. Dann säße ich zwar immer noch in der Tinte, aber vielleicht nicht ganz so tief. Eigentlich wollte ich das nicht, aber ich wollte auch nicht den Rest der Fahrt mit einem schlechten Gewissen verbringen. Unschlüssig spielte ich mit der Keycard herum und drehte und wendete sie in meinen Händen hin und her. Und da sah ich den Aufdruck in Weiß auf Pink.
DAS LEBEN IST EINE REISE.
»Sie reisen ab?«, fragte die junge Angestellte hinter dem Tresen freundlich. Roger und ich nickten beide noch etwas verschlafen. Nach dem Telefonat war ich zurück in unser Zimmer und ins Bett gegangen, konnte aber nicht schlafen. Ich starrte an die allmählich heller werdende Decke und ging im Kopf immer wieder das Gespräch mit meiner Mutter durch. Dabei musste ich schließlich doch weggedöst sein, denn der Weckanruf um neun – um den ich bei unserer Ankunft gebeten und den ich völlig vergessen hatte – riss mich aus dem Schlaf. Als ich mich nach einer eiligen Dusche im Badezimmer anziehen wollte, fiel mir wieder ein, dass ich ja meine eigenen Klamotten nicht mehr hatte. Ich inspizierte meine
Reisetasche und hatte keine Ahnung, wie ich die Sachen so kombinieren sollte, wie Bronwyn es draufhatte. Schließlich griff ich einfach nach dem, was ganz oben lag – ein langes, schwarzes Tanktop und eine graue Skinny Jeans.
Aber offenbar hatten Bronwyns Klamotten magische Kräfte. Im Spiegel hinter dem Rezeptionstresen sah ich, dass ich deutlich schicker aussah, als es mir zustand. Ich gähnte vor Müdigkeit, und obwohl ich mir dabei sorgfältig den Mund zuhielt, musste Roger drei Sekunden später auch gähnen.
»Okay ...«, sagte die Angestellte und tippte etwas in ihren Computer ein. Ich überlegte, wie viele Tassen Kaffee sie wohl intus haben mochte, um zu dieser Zeit schon derart wach und freundlich zu sein. Auf ihrem Namensschildchen stand: KIKI... IMMER FÜR SIE DA. »Also keine Kosten außer der Übernachtung, richtig?«
»Richtig«, bestätigte ich und unterdrückte ein weiteres Gähnen.
»Und waren Sie mit allem zufrieden?«
»Alles super«, übernahm ich auch diesen Teil der Prozedur, da Roger von unserem Aufenthalt ja so gut wie nichts mitbekommen hatte.
»Prima.« Ihre Finger flogen über die Tastatur. »Wunderbar. Das geht also auf
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