An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
musste die Augen zusammenkneifen, um sich umzusehen. Der blaue Himmel war durchzogen von purpurfarbenen Wolkenbändern, die sich wie kleine Wirbel, von der Sonne ausgehend, über den Horizont zogen. Wolf atmete tief ein. „Der Winter ist vorbei!“ sprach er leise, hielt noch etwas inne und lief dann langsam zu Sturm, der zufri e den an einem mageren Bäumchen herumzupfte. Das Pferd schüttelte erfreut den Kopf und schnaubte, als es seinen B e sitzer erkannte. Wolf zog den Ziegenhautsack von der heilen Schulter, goss Wasser daraus in die hohle Hand und reichte es dem Tier.
„Na mein Alter!“, Wolf klopfte dem Hengst auf die Mähne, “bald wirst du wieder mehr zu fressen finden, glaub mir!“
Unruhig wich das Tier zurück, Wolf ließ das Wasser fallen, wi r belte ohne Rücksicht auf seine Verletzung um die eigene Achse und schleuderte seinen Dolch in Richtung des Ei n dringlings. Das Messer zischte über die kleine Lichtung und wurde von einer riesigen Hand im Flug abgefangen.
Wolf erstarrte. Nicht weit von ihm entfernt, stand ein Hüne von über zwei Metern, der mit dem abgefangenen Messer in der Hand jonglierte und es dabei aufmerksam begutachte. Die verfilzten grauen Haare und der ungepflegte, lange Bart des Fremden sahen nach jemandem aus, der schon länger in di e ser Einöde hauste. Sein massiger Körper war mit allerlei Tie r fellen bedeckt und er trug grobe, selbstgemachte Stiefel aus gegerbtem Leder. Auf sei-nem breiten Rücken ruhten ein großer Bogen und eine gewalt i ge, doppelschneidige Axt.
„Ein schöner Dolch“, brummte der Riese, “hab so was schon lange nicht mehr gesehen.“
„Bär?“, stammelte Wolf ungläubig, „bist du das?
„So nannte man mich … vor langer Zeit!“, er blickte Wolf direkt in die Augen.
„Ich habe gedacht, Muriels Leibgarde hätte dich erwischt!“ Wolf erwiderte den misstrauischen Blick.
„Dunkelelfen sind die besten Fährtenleser, die es gibt, aber ich kenne ihre Vorgehensweise und hab mich darauf einge s tellt!“, er spielte immer noch mit der Waffe in der Hand.
„Was verschlägt dich in diese gottverlassene Gegend, Wolf?“
„Ich habe mich abgesetzt!“ Wolf machte das Spiel mit seinem Messer sichtlich nervös.
„Ah ja! Und Muriel hat dich einfach gehen lassen?“
„Ich habe die Hexe vorher nicht gefragt, aber denkst du, ich hätte es tun sollen?“
„Wahrscheinlich hätten dich ihre Elfen in Stücke gerissen!“ Bär lachte, steckte den Dolch in seinen Gürtel und stapfte auf Wolf zu. Mit seinen riesigen Pranken packte er ihn und drüc k te ihn an sich. „Vielleicht magst du ja ein Spion sein, Wolf, aber es ist schön, dich nach dieser langen Zeit wiederzusehen, mein Freund. Ich habe die beiden toten Söldner dahinten entdeckt. Sie tragen M u riels Banner und deswegen wollte ich mich hier mal umsehen. Ich konnte ja nicht wissen, dass du damit was zu tun hast.“
Überrascht und mit schmerzverzerrtem Gesicht erwiderte Wolf die Herzlichkeit und klopfte dem Hünen verständnisvoll auf den Rücken.
„Schon gut, Bär, ich freue mich auch, dich zu sehen, aber wegen meiner Verfolger, die du gefunden hast, ist meine Schulter u n brauchbar und wenn du noch weiter zudrückst, muss ich mir einen neuen Arm in Elderwall kaufen!“
„Du bist auf dem Weg dorthin?“ Bär war überrascht und ließ Wolf wieder auf den Boden, “sie werden dich umbringen, wenn dich jemand aus den umliegenden Siedlungen dort erkennt und außerdem bewachen frygische Seher die Tore. Sie blicken den Me n schen in die Seele und können jeden dunklen Fleck darauf entdecken. Wir beide besitzen bestimmt genug davon, um uns e ren Platz in der Verdammnis sicher zu haben.“
„Ich muss Hannah finden und etwas sicher bei ihr abliefern, bevor ich für immer dieses Land verlasse!“
„Hannah? Ja, ich erinnere mich! Die Hure, die es dir damals an-getan hatte, als wir uns vor zehn Jahren in Elderwall amüsie r ten, bevor wir in die Dienste von Muriel traten und dieser ewige Krieg begann!“
Wolf nickte zustimmend.
„Was ist denn so wichtig, um dieses Risiko einzugehen?“
„Ich habe einen Jungen bei mir, den ich in Sicherheit bringen will.“
„Einen Jungen?“ Bär lachte, „etwa dein Junge? Ich dachte ich kenne dich mein Freund, aber das hätte ich dir wirklich nicht zu-getraut!“
Wolf schüttelte vehement den Kopf.
„Nein! Nicht mein Junge, aber lass uns diese Geschichte nicht hier im Freien ausbreiten!“
Er deutete in Richtung der kleinen Felsnische. Der
Weitere Kostenlose Bücher