An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
stelle sich vor: Tausende Flüchtlinge aus den umli e genden Städten, die vor den Toren von Raphaels Festung auf Asyl hoffen. Unglau b lich!“ Der Greis schüttelte angewidert seine graue, verfilzte Mä h ne. „Mit euren Münzen werdet ihr herzlich willkommen sein bei di e sen gierigen Kleingeistern!“
Wolf lächelte, hatte aber die Rede des Mannes mit Besorgnis ver-nommen, kannte er doch ein anderes Elderwall, welches er vor zehn Jahren überstürzt, unter dem Einfluss von reichlich Wein und seiner Kumpanen, verlassen hatte.
Er gab Natas ein Zeichen, woraufhin der Knabe bereitwillig auf den Rücken des Kriegers stieg und sich mit dem Dorne n schild zusammen festschnallen ließ, dann hob sich Wolf äc h zend in den Sattel seines Hengstes. „Du bist schwerer geworden in der letzten Zeit!“, beschwerte er sich amüsiert über seine zusätzliche Last, als er Sturm sanft mit den Hacken in die Seiten stieß und die Zügel herumzog. „Zeig uns den Weg, Alter Mann!“
Binschli hinkte an dem wartenden Ross vorbei und winkte ung e duldig.
Es dauerte nicht lange und sie hatten das morastige Ufer des unheimlichen Sees erreicht. Hier erstarb jeder Laut und die Stille schmerzte druckvoll in den Ohren, so als hätte sich die Höhe, in der sie sich befanden ,schlagartig geändert.
„Als würde man einen steilen Berg erklimmen. Nicht wahr! Es schmerzt im Kopf! He! He!“ Binschli blickte mit wissenden A u gen über die Schulter.
Natas versuchte krampfhaft den Druck in seinen Ohren auszu-gleichen, in dem er wie ein Fisch seinen Mund auf und zu mac h te. Wolf hingegen nahm die Unannehmlichkeit ohne jegliche Re-gung hin und erwiderte den neckischen Ausdruck ihres Fü h rers mit versteinertem Gesichtsausdruck. Ungerührt tapste der betagte Läufer weiter und sang laut vor sich, als er sich mühsam durch die matschige Erde quälte. „Da ist es!“ Binschli wies mit dem Finger direkt auf das unbewe g liche Wasser vor ihnen.
Am Ufer des Sees war die feuchte Erde fast schwarz und stank widerlich. Kein noch so leichtes Kräuseln war auf der spiegelgla t ten Oberfläche auszumachen und die ungewöhnl i che Stille senkte sich wie eine gläserne Glocke.
„Ich kann nichts von einem Damm erkennen!“, entgegnete Wolf mürrisch.
„Du nicht, aber dein Pferd kann es. Das ist das Geheimnis. Nur die Tiere sind in der Lage, den schmalen Pfad zu erkennen!“ Bi n schli kicherte hysterisch.
Wolf griff unter seinen Mantel, zog blitzschnell einen seiner Do l che hervor und hielt ihn in Richtung des amüsierten Alten, de s sen Lachen auf der Stelle erstarb. „Wenn du mich hinters Licht führen willst, werde ich dir dein Grinsen aus dem Gesicht schnei-den!“ Wolfs wilde Entschlossenheit und das wütende Fu n keln in seinen Augen verängsti g ten Binschli zutiefst und er warf sich au-genblicklich in den übelri e chenden Schlamm.
„Nein! Nein! Bitte! Das ist die reine Wahrheit, edler Krieger! Bitte tut mir nichts!“ Mit verdrecktem Gesicht schaute er zu Wolf empor, der genervt seine Waffe zurücksteckte.
Natas legte ihm beschwichtigend seine Hand auf die Schulter.
„Schon gut! Schon gut!“ Er beugte sich vom Pferd und reic h te Binschli die Hand, der sie dankend ergriff und schwer atmend wieder aufstand. „Ich weiß, Herr. Es klingt unglaublich, und ich habe diesen Weg auch nur zufällig entdeckt, als ich einen Geier beobac h tet habe, der mitten auf dem See eine Rast einlegte.
Diese Markierung …,“ er wies auf zwei dicke Äste, die wie ein Tor in die Erde gerammt waren, “habe ich damals hier errichtet, um den Damm jederzeit wiederzufinden. Ich bin selbst schon dar ü ber gelaufen, mit Hilfe meines Hundes, der aber leider nicht mehr bei mir ist. Ich habe die Reisenden, die ich hierher geführt habe, immer beobachtet, bis der dichte Nebel sie verschluckte und ich bin mir sicher, sie sind wohlbehalten auf der anderen Seite ang e kommen.“
„Ich glaube dir!“, unterbrach Wolf die Ausführungen des aufg e regten Alten.
„Ich werde es euch zeigen!“ Binschli hob seinen Zeigefinger, drehte sich um die eigene Achse und rannte durch die Begre n zungen auf das Wasser hinaus.
„Seht ihr!“, rief er den Wartenden zu, während er wie durch Zau-berei mitten auf dem See stand.
Wolf konnte seine Verwunderung erfolgreich unterdrücken, aber Natas Augen waren weit aufgerissen und sein Mund stand offen, als er über die Schultern seines Trägers diese Unglaublichkeit be-obachtete.
Behutsam lenkte Wolf Sturm durch die beiden
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