An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
Pfosten im Schlamm. Ohne auch nur den Anflug einer Weigerung trott e te das Pferd hindurch. Kleine konzentrische Wellen umspielten die Hufe des Tieres und verloren sich auf der erstarrten Oberfläche des Lacu Loudin. Unbeirrt fand Sturm seinen Weg zu dem e r freuten Binschli, der ungeduldig von einem Bein auf das andere trat. „Es kann den Damm sehen. Wie ich es gesagt habe!“, freute er sich.
Wolf blickte von seinem Pferd herab und sah nur eine beunruh i gend dunkle Tiefe. Er griff in seinen Umhang, ließ eine silberne Münze spielerisch zwischen seinen Fingern wandern und schnippte sie dann dem überraschten Greis zu. „Hier hast du deinen Eintritt nach Elderwall, Alter!“
Mit sicherer Hand fing Binschli das wirbelnde Geldstück, unte r suchte es abermals akribisch, schaute dann triumphi e rend zu Wolf und steckte es hastig in eine seiner tausend Taschen. „Das werde ich euch niemals vergessen, Herr. Aber auf etwas müsst ihr noch achten, wenn ihr diesen Weg sicher beschreiten wollt: Schaut niemals ins trügerische Antlitz des Sees, sonst wird er euch verschlingen!“ Mit diesen Worten und einem irrsinnigen Lachen lief der alte Mann an Sturm vorbei, zum Ufer zurück und verschwand in den schwarzen Wäldern.
Wolf schaute dem Verrückten noch eine Weile nach, schü t telte dann amüsiert den Kopf und wandte sich dem ungeduld i gen Pferd zu. Er beugte sich vornüber und flüsterte dem Hengst ins Ohr. „Führe uns, Sturm!“, waren seine Worte, woraufhin das Tier sich langsam und konzentriert in Bewegung setzte.
„Du hast den Landstreicher gehört, Natas. Schau nicht ins Wa s ser!“, mahnte er. Der Junge nickte und klopfte als Bestätigung mit der flachen Hand auf den Rücken seines Trägers.
„Gut!“ murmelte Wolf zufrieden und drehte sich wieder nach vorne
Die Sonne stand auf ihrem mittäglichen Höhepunkt, aber ihr Licht und ihre Wärme konnten den kalten Nebel, der lautlos über das Wasser strich, nicht durchdringen. Die drei Reise n den waren schon eine Weile unterwegs und hatten noch nicht einmal die Hälfte des Gewässers überquert. Hinter ihnen schloss sich die dichte Nebelwand und das rettende Ufer verschwand. Nun waren die Passagiere auf Sturms Rücken auf seinen untrüglichen In s tinkt angewiesen. Konzentriert senkte es seinen Kopf, um den schmalen Pfad dicht unter der Oberfläche der silbrig schimmer n den Wassers nicht aus den Augen zu verlieren. Das leise Plä t schern unter den Hufen und der langsam wiegende Gang seines Pferdes ließen die Augen Wolfs schwer werden. Instinktiv packte er die Zügel fester, um nicht schlaftrunken vom Sattel zu stürzen, doch das hy p notische Wiegenlied war unwiderstehlich und ließ sein Kinn auf die Brust sinken.
Natas bemerkte das Einnicken seines Beschützers, war aber selbst den Träumen nah und nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Müde ließ er seinen Blick schwe i fen, der wie gebannt auf dem schimmernden Teppich unter ihnen haften blieb. Er sah ein un-getrübtes Spiegelbild seiner selbst neben sich herziehen und konnte seine Augen nicht mehr davon abwenden.
„Wir wissen wer du bist!“, flüsterte eine kaum hörbare Stimme. Natas schreckte auf und schaute irritiert auf Wolf, der wortlos vor sich hin dämmerte.
„Schau uns an. Wir sind hier!“, liebkoste das Wispern die Ohren des Jungen, der gebannt wieder auf den See starrte. Mit weit auf-gerissenen Augen beobachtete er die Veränderung seines Abbi l des auf der unnatürlich glasartigen Wasserfläche. Es ve r schwamm langsam und formierte sich zu einem schwarzen Hengst und einem einzelnen Reiter, dessen ze r fledderter Umhang wild hinter ihm umherwirbelte. Ein großer Bogen war auf seinen Rücken gespannt, zusammen mit einem großen Lederhalfter, in dem ein breites Schwert steckte. Die langen, dunkelbraunen Haare peitschten ihm ins Gesicht, das tief im aufgestellten Kragen se i ner Lederj a cke verborgen war.
Der Fremde drehte ruckartig den Kopf und starrte Natas an. Die feuchten Strähnen gaben sein Gesicht teilweise frei und ein dun k les Auge, über das sich eine tiefe Narbe zog, blitze den Jungen argwöhnisch an.
„Du gehörst zu uns, Natas!“, donnerten die Stimmen in se i nem Kopf und mit einer gewaltigen Fontäne, die meterhoch in die Luft schoss, verschwand das Ebenbild des dunklen Kriegers.
Der Junge schrie, als wäre er aus einem Alptraum erwacht und rüttelte panisch an Wolfs Schultern, der blitzartig wieder bei Sinnen war, aber nicht verhindern konnte, das Sturm
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