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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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nachgelassen, denn jedes Interesse an der exotischen Frau musste zwangsläufig zu einem gebrochenen Nasenbein führen. Wenn man Glück hatte. – Hinz schob eine neue Mini-CD in seinen Musik-Comp. Dunkle, hämmernde Rhythmen erklangen.
    Varians Blick ruhte auf der glatten Stirn der jungen Frau, die er nun ja wohl Vivian nennen musste. Eine Business-Frau. Ihr Gehirn kannte zweifellos den Unterschied zwischen solaren und lunaren Wertanlagen, und es jonglierte mit den Möglichkeiten des Credit-Implantats wie ein Profi. Wie sonderbar! – Blitzartig rollten noch einmal die vergangenen Abenteuer an Varians geistigem Auge vorüber, spulten sich ab wie ein Film im Zeitraffertempo. – Das einzige, was in Laras Hand gewesen war (und noch nicht einmal so fest mit ihr verwachsen wie ein Implantat), war jener seltsame Stein gewesen … THE MASTER. Was mochte aus dem geworden sein? Varian hatte tausend Fragen, aber die Reaktion der so frappierend veränderten Frau hatte ihm gezeigt, dass er hier anders vorgehen musste.
    Er wartete erst einmal ab und ließ sich sein eigenes Glas nachfüllen. Vivian-Lara starrte auf ihr Champagnerglas, in dem sich fast mehr Eis als Flüssigkeit befand. Ein paar müde Kohlensäurebläschen trieben zur Oberfläche.
    Plötzlich bemerkte Varian aufdämmerndes Entsetzen in den langbewimperten blauen Augen, und dann stieß Vivian halb erstickt hervor: „Wo bin ich? Was mache ich hier?“
    „Sie trinken ein Glas Champagner in einer üblen Unterwelt-Spelunke namens ‚Senkblei‘“, sagte Varian ruhig. „Kommen Sie, Miss Dulac, stoßen Sie mit mir an.“ Er hob sein Whiskyglas.
    Sie starrte ihn an, und ihre Augen wurden immer größer.
    „Woher … woher kennen Sie meinen Namen?“
    „Sie haben ihn mir genannt“, erklärte Varian geduldig und dachte bei sich: Sie ist krank. Total meschugge. Sicher gibt es irgendeinen unaussprechlichen Fachausdruck für ihr Leiden.
    Dass ihr Langzeitgedächtnis im Eimer war, hatte er ja schon zuvor gewusst, aber mit dem Kurzzeitgedächtnis sah es offenbar auch nicht besser aus.
    Mit einer Hand wischte sich Miss Dulac fahrig über das Gesicht, nahm dann das langstielige Champagnerglas, starrte hinein – und stellte es ruckartig zurück auf die Theke, als habe sein Inhalt sie beleidigt. Dann glitt sie plötzlich vom Barhocker und marschierte wie ein Roboter wieder auf den Ausgang zu. Varian schnappte einen Moment lang nach Luft, fasste sich aber schnell und folgte ihr.
    Leichtfüßig nahm sie die steilen, ausgetretenen Holzstufen, die hinaufführten zur Luft und zu einer ersten schmutziggrauen Vorahnung der Morgendämmerung. Als Varian ebenfalls auf die Straße trat, war sie schon ein gutes Stück voraus, und er musste sich sputen, um sie einzuholen.
    „Warten Sie …!“, rief er, worauf sie zu ihm herumfuhr und ihn anfauchte: „Lassen Sie mich doch in Ruhe!“
    „Wohin wollen Sie denn?“
    „Nach Hause“, zischte sie, „und ich lege keinen Wert auf Ihre Begleitung!“
    „Varian“, stellte er sich vor, erkannte aber sofort, dass das wenig Sinn hatte: Weder klingelte es nun bei ihr, noch wirkte sie besänftigt.
    „Hier treibt sich eine Menge Gesindel herum“, versuchte er es nochmals, „und mir ist schleierhaft, wie Sie es überhaupt schaffen konnten, unbehelligt ins ‚Senkblei‘ zu gelangen – mitten in der Nacht!“
    „Nun, ich habe es geschafft, nicht wahr? Und genau so werde ich auch wieder fortgehen!“
    Abwarten, meine Teuerste, dachte Varian. Er blieb stehen, während sie weitermarschierte, hielt sich aber bereit, gestrafft zu einem schnellen Spurt. Denn seine feinen Auftragskiller-Sinne hatten ein dunkles Subjekt wahrgenommen, das in einer schmalen Seitengasse lauerte. Varian selbst verschmolz mit den blauschwarzen Morgenschatten, und er war sich sicher, dass ihn der Gauner nicht bemerkte.
    Er war gespannt. Gleich würde sich herausstellen, ob Vivian noch etwas gemein hatte mit der Amazone Lara.
    Ein schriller weiblicher Angstschrei ertönte, und er rannte los. Halb war er enttäuscht, halb freute er sich auf einen Kampf. – Das räuberische Subjekt hatte Vivian angerempelt und ihr eine Ohrfeige versetzt; allein davon war sie gestürzt und stieß nun blindlings mit den Beinen um sich, anstatt sich gezielt zu wehren. Wie ein Mädchen. Einen ihrer lächerlichen Pumps hatte sie bereits verloren, und nun griff der hagere Halunke in ihren Haarschopf.
    Ein zweiter Schrei entfuhr ihr, schmerzerfüllt, und da war Varian schon bei ihr, schlangenhaft;
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