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An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit, Teil 2 (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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gewesen und hatte sie auf dem Weg gestützt … bis sie Fa Pas „Moonlight and Darkness“ erreichten. Doch auf den letzten Schritten hatte Sunny die alleinige Führung übernommen, denn Lara war desorientiert und schien mit jedem Meter mehr und mehr auseinanderzufallen.
    Casimiria tot. Dymekon friedlich entschlafen, und zwar beinahe als Freund. Alles anders. Diese Gedanken kreisten sinnlos durch B.C.s Hirn, und sie war kaum noch in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Die große, kräftige Katze bewahrte sie mehrmals vor einem Sturz auf das schadhafte Pflaster der Treibgutzone, indem sie sich dicht an ihrer Seite, ihren Beinen hielt. Das Schnurren des prachtvollen Tieres klang besorgt und aufmunternd zugleich.
    Und dann hatte Fa Pa sie aufgefangen, als er aus seinem mobilen Zelt herauskam … sie aufgefangen, sie ins Zelt gezogen, ihr geholfen, sich hinzulegen. Niemand sonst war da, und Fa Pa bot ihr auch kein Luna an. Er wusste, dass es keinerlei Nachfrage nach seinen Drogen gab und vielleicht nie mehr geben würde. Er blieb davon unbewegt. Er war so wie immer.
    Auf den Straßen der Augenwelt – selbst hier, in den Slums (wo die Krankheit längst nicht so stark spürbar gewesen war) – tanzten und sangen die Menschen, umarmten sich und lachten … sie waren allesamt wie erlöst.
    Mittlerweile war Lara nicht mehr ansprechbar, und ihr Aktionspotenzial war auf das eines Zombies herabgesunken.
    Zunächst begriff B.C. nicht, weshalb, aber dann wurde es ihr schlagartig klar: Laras Aufgabe war erfüllt, wenngleich niemand wusste, was aus dem Computerspiel Omega 7 geworden war – auch seine Schöpferin nicht – und nun hatte sie massive Identitätsprobleme. Lara hatte sich zwar weiterentwickelt, eine erstaunliche Leistung für einen Avatar, aber das allein reichte nicht aus, um in der Augenwelt zu bestehen. Darüber hinaus schwieg THE MASTER, den sie verschluckt hatte, nach wie vor. Möglicherweise war der „Stein“ inzwischen zerfallen und von seiner „Wirtin“ vollkommen absorbiert worden.
    Niemand wollte eine Traumreise machen in Fa Pas mobiler Drogenhöhle – denn der Traum wurde momentan Wirklichkeit. Plötzlich stellte B.C. fest, dass es auch sie gar nicht mehr nach Stoff verlangte; sie war von ihrer Luna-Sucht geheilt. Fa Pa schien es zu ahnen, denn er bot ihr nichts an.
    Stattdessen ließ er Chandra in sein Zelt ein, den Enkel Dymekons, und dieser erschien genau zum richtigen Zeitpunkt. Was für ein höflicher, intelligenter junger Mann, dachte B.C. Er bewegte sich geschmeidig und strahlte keinerlei unkontrollierte Emotionen aus – er wirkte, als sei er im Einklang mit sich selbst.
    Es faszinierte B.C., dass sie, die notorisch misstrauische Einzelgängerin, ihm auf Anhieb vertrauen konnte. Rau und abgehackt, mühsam nach Worten suchend, erzählte sie ihm alles, was passiert war, und er schien alles zu begreifen. Und was noch wichtiger war: Chandra entwickelte auf der Stelle konstruktive Ideen.
    „Wer Alpha sagt, muss bis zum Omega gehen“, erklärte er. „Sie haben dieser Welt einen neuen Anfang geschenkt, B.C. … nun ist es Ihre Aufgabe, weiterzumachen. Die Euphorie in der Augenwelt wird nicht lange anhalten, wenn Sie die Menschen nicht unterstützen.“
    Casimiria ist tot, dachte B.C. und empfand den Schmerz scharf wie einen Messerschnitt. In den folgenden Wochen und Monaten sollte ihr jedoch bewusst werden, dass ein Teil der Freundin auf sie übergegangen war – und das nicht nur im übertragenden Sinne. Nein, es kam nicht nur daher, dass Casimiria sie geheilt hatte: Etwas von ihrer Seele war nun in ihr.
    Der freundliche junge Mann vor ihr hatte vielleicht recht. B.C. dachte über seine Worte nach.
    Lara hatte in den unterirdischen Räumen des AMTES die Wahrheit gesprochen (wenige Stunden zuvor!): Sie, B.C., Erfinderin des ZEITZUGES, gejagte Einzelgängerin und Hypermutantin, hatte sich absolut rücksichtslos verhalten und sich selten oder nie um die Folgen ihres Tuns gekümmert. Sie war das typische Beispiel der fanatisch-egomanen Wissenschaftlerin gewesen … ‚Damit ist jetzt Schluss‘, entschied B.C. Sie spürte, wie ihre Muskeln sich langsam entspannten.
    Der ZEITZUG, ihre bislang größte Erfindung, existierte nicht mehr, denn seine gesamte Energie war in die Umwandlung des AMTES geflossen – und eben das hatte auch die Seuche des Inneren Lärms ausgerottet und die Hörfähigkeit aller Augenweltler wiederhergestellt.
    ‚Ich werde eine neue Maschine bauen‘, dachte B.C.
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