An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)
Küche zurück, um sich aus dem weichen Fruchtfleisch, Rum und Zucker erfrischenden Abacate zu mischen.
Während er an dem Getränk nippte und der Schmerz in seinem Kopf zu einem erträglichen Bohren schrumpfte, dachte er an den gestrigen Streit. Raúl hatte ihm vorgeworfen, nutzlos herumzusitzen. Dieser Tadel ließ sich schwerlich entkräften. Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun? , hatte er gefragt. Mich aufs Schlachtfeld begeben und für eine Sache sterben, die nicht meine ist? Mit der Aufgabe La Jiraras und dem Verlust seiner Pferde hatte er immerhin einen Beitrag geleistet, der für drei Kriege reichte. Die Hazienda nutzten die Separatisten, und die Pferde hatten einige spanische Ärsche und Mägen gerettet.
Sie könnten mir im Feldlazarett zur Hand gehen, Don Reinmar .
Und wenn ich spanischen Soldaten nicht helfen will, weil ich lieber die Freiheit wähle, Raúl?
Der Arzt hatte ärgerlich gesagt: Sind Sie hergekommen, weil Sie in Deutschland ein Gefangener waren? , und war mit seinem Arztkoffer gegangen.
«Ja, das war ich», sagte Reinmar laut. «Ein Gefangener des deutschen Muffs. Der deutschen Enge.» Er brauchte ein großes Land. Und saß jetzt fest in einer umklammerten Stadt. Bitter auflachend schüttete er Rum in sein Glas. «Vielleicht hätte ich nach Nordamerika auswandern sollen. Die haben ihren Befreiungskrieg wenigstens schon hinter sich. Aber ich wollte es ja unbedingt exotisch.»
Er hatte von seinem eigenen Eldorado geträumt, von den unendlichen Weiten der Llanos, von den verwilderten Nachkommen der Konquistadorenpferde, die zu Hunderttausenden durch die Prärie zogen. La Jirara hätte nur der Anfang sein sollen. Mit Janna hatte er sich am Fuß einer Treppe großen Glücks gewähnt. Aufwärts hätte es gehen sollen, nur aufwärts … Stattdessen hatte ihn dieser Krieg einen Großteil seines Erbes gekostet; daran hätte auch die Goldkette nicht viel geändert, selbst wenn er sie Janna nicht geschenkt hätte. Das Schlimmste jedoch: Janna war nicht mehr die Frau, die er kannte.
Seit sie ihn unerklärlicherweise fortgestoßen hatte und mit dem Schmuck aus dem Patio des Gouverneurspalasts gelaufen war, hatte er sie nicht wiedergesehen. Fünf Tage lag das zurück. Jeden Tag war er dort erschienen, doch sie hatte sich entschuldigen lassen, ihr sei nicht wohl. Er glaubte das nicht. Da war etwas anderes im Busch.
Er trank den Avocadococktail aus und griff nach der Rumflasche, um sie mit auf sein Zimmer zu nehmen. Eine Stunde Schlaf würde er sich noch gönnen, danach musste er den Herd schüren, um das Plätteisen zu erhitzen. Sein Lieblingshemd hatte er gestern eigenhändig gewaschen. Ein Krieg war kein Grund, sich nachlässig zu kleiden.
An der Haustür klopfte es. Schon wieder ein Kranker, dem er nicht helfen konnte. Er wandte sich der Stiege zu.
«Señor Götz! Señor Götz!»
Hatte das nicht nach David geklungen? Er schloss auf, und als er die Tür öffnete, stand tatsächlich sein indianischer Hausdiener vor ihm, in sauberer Kleidung und mager wie immer. Es tat gut, ein Gesicht zu sehen, das sich nicht verändert hatte. Bei näherer Betrachtung wirkten die Augen des Jungen jedoch freudlos wie die jedes Angosturers.
«Ich glaube, Ihre Verlobte ist krank, Señor. Seit Tagen kam sie nicht mehr die Treppe herunter, und jetzt heulen alle.»
Fluchend warf Reinmar die Tür wieder zu, hastete in sein Zimmer und kleidete sich in Windeseile an. Die Falten in seinem Hemd mussten warten. Er lief hinauf zum Palais des Gouverneurs. Auf den Straßen war es ruhiger geworden – die Leute verkrochen sich in ihren Häusern. Er hielt sich ein Taschentuch vor Mund und Nase, um sich vor bösen Miasmen zu schützen und weil es anders nicht auszuhalten war. Die Wachtposten vor dem Gouverneurshaus kannten ihn; man ließ ihn ungehindert den Messingring gegen das Portal schlagen. Dieses Mal war es eines der Dienstmädchen, dem er sein Anliegen vorbrachte. Im Gegensatz zum alten Majordomus, der den Worten des Mädchens zufolge krank lag, ließ es ihn ohne Federlesens ein und winkte einem Boy, ihn zu Janna zu bringen. Auf der Wendeltreppe ins Obergeschoss kam ihm eine aufgelöste Frau Wellhorn entgegen. Die Fregatte schob sich an ihm vorbei, ohne ihn zu erkennen, denn sie heulte in ihr Spitzentuch. In seiner Brust hatte sich eine Faust geballt; jetzt schien ihm, als verstopfe sie ihm die Kehle. Wo Jannas Zimmer war, wusste er nicht, denn hier oben war er nie gewesen. Er musste jedoch nur dem Schluchzen
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