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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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erkannt. Mich bemerkten sie nicht. Mittlerweile hatte ich die Barkassen gesehen und wusste, dass es zu viele wären, um sie zu töten.» Selbst jetzt noch durchfuhr ihn ein wütendes Beben, und seine Kiefer mahlten. «Es war zu spät, um dich zu warnen. Als sie dir ins Haus folgen wollten, blieb mir keine Wahl. Ich habe mich ihnen in den Weg gestellt.»
    Die Hitze schwand. Kälte griff nach ihrem Herzen.
    «Erst versuchte ich nur, ihnen klarzumachen, dass du kein indianisches Freiwild bist. Das wollten diese geifernden Idioten nicht hören, egal, wie oft ich auf dein Haar hinwies. Also sagte ich ihnen, wer ich bin und dass ich wegen Mordes an einem Mantuano gesucht werde. Und dass ich mich friedlich ergeben würde, wenn sie dich dafür in Ruhe ließen. Ich konnte selbst nicht glauben, dass ich das sagte – es war die Tat eines elenden Dummkopfs. Vier Jahre war ich ihnen entkommen, und irgendwie dachte ich, es müsse so weitergehen, selbst jetzt noch. Plötzlich hatten sie kein Problem mehr, mir zu glauben, dass du eine Weiße bist. Sie hätten mich eigentlich einfach über den Haufen schießen können, aber glücklicherweise waren sie von meiner Geschichte beeindruckt genug, sich auf meine Bedingung einzulassen. Sie brachten mich sofort in einer der Barkassen nach Angostura. Es war mir unerträglich, dich zurücklassen zu müssen, allein auf das Wort ihres capitán hin, dass dir nichts geschieht.»
    «Er hat es gehalten», warf sie rasch ein. Der schmierige Soldat hatte erstaunt gewirkt, sie zu sehen, erinnerte sie sich. Aber jetzt fiel ihr auf, dass seine Überraschung, zufällig in der Wildnis auf eine catira zu stoßen, viel größer hätte sein müssen. Großer Gott. Sie schlug eine Hand vor den Mund. Wie perfide alles gewesen war, und sie hatte nichts geahnt.
    «Leider bedachte ich bei der ganzen Sache nicht, dass ich, wenn ich erst einmal in ihren Händen bin, dann auch zum Reden gezwungen werden kann …» Sein Kopf sank tiefer; seine Hände fuhren in den Nacken und rauften das Haar. Was aus seiner Kehle kam, war das Aufheulen eines angeschossenen Wolfes. «¡Carajo! Ich habe sie alle verraten!»
    Er schlug die gefesselten Hände vor das Gesicht und warf den Kopf vor und zurück; dabei stöhnte er wie zu Tode verwundet. Wer waren sie ? Nicht die Soldaten – er meinte andere Menschen, ja, das begriff sie. Man hatte ihn gequält, irgendetwas aus ihm herausgepresst, was anderen zum Schaden gereicht hatte. Und das nur meinetwegen . Während sie darüber nachsann, musste sie hilflos zusehen, wie er litt. Nein, ganz hilflos war sie nicht. Sie umfing ihn. Langsam richtete er sich wieder auf und wandte ihr das verhärmte Gesicht zu. Strähnen klebten an seinen feuchten Wangen.
    «Also hast du mich schon wieder gerettet, wie oft eigentlich schon?», versuchte sie sich an einem mageren Scherz.
    «Ich habe aufgehört zu zählen.»
    «Arturo. Arturo, bitte gräm dich nicht.» Sie strich über seine bärtige Wange. «Wenn Bolívar die Stadt erobert, wird er deinen Fall vielleicht ganz anders beurteilen. Vielleicht gibt es eine Amnestie?»
    Er stieß einen Laut des Unglaubens aus. Was redete sie auch so altklug daher, da sie so gar keine Ahnung hatte, worum es ging? Trotzdem war es eine berechtigte Hoffnung.
    «Bitte halte durch, bitte.» Ihr Daumen fuhr durch seinen Bart. Sein Mund öffnete sich beinahe flehend. Er neigte sich ihr zu. Janna zögerte nicht. Sie schloss die Augen und erspürte raue Lippen, schmeckte etwas Blut und das Salz seiner Tränen. Hatte sie je von einem Kuss geträumt? Von ihm? Ihr war, als hätte sie das schon oft getan. Und stets erwartet, dass dieser Kuss gewaltsam sein müsse. Eben so wie er selbst. Die Wirklichkeit war anders. Seine Lippen waren sanft, zögerlich, beinahe furchtsam. Sie glaubte zu schwanken, in unendliche Tiefe zu fallen. Misericordia! Es klopfte. Janna kämpfte sich in die Wirklichkeit zurück. Arturo hatte sich gelöst; er nickte in Richtung der Tür. Doch bevor sie gehen konnte, hob er noch einmal die gefesselten Hände und strich mit den Fingerspitzen der Rechten über ihr Gesicht. Ein Hauch nur. Ihr war, als spüre sie die Berührung am ganzen Leib.
    Es war wie ein kalter Guss, als sie aufsprang, ihren Spenzer richtete und auf die sich öffnende Tür zuwankte. Ein letzter Blick zurück – plötzlich war wieder alles dunkel, und sie vermochte ihn nicht mehr richtig zu erkennen. Mehr Zeit, mehr Zeit! , schrie sie innerlich, aber ehe sie es sich versah, stand sie nach

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