Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
Vom Netzwerk:
arbeitenden Händen würde er auch wieder wunderschön werden. Aber eine lieblose Ehe aufwiegen konnte La Jirara niemals, und so sah sie sich wieder einmal in Gedanken in Hamburg auftauchen und ihren Ausflug in die Neue Welt für gescheitert erklären. Oder bei Bolívar, um dessen Amtsräume zu putzen. Oder sogar in Caracas, um sich bei den reichen Mantuanos als Gesellschafterin oder Zofe anzudienen.
    Keine schöne Aussicht, als alte, verarmte Jungfer zu enden. Und ein verdammt hoher Preis für einen Kuss.
    Vernünftig betrachtet, war es Irrsinn gewesen, Reinmar zurückzustoßen. Dennoch, stünde sie noch einmal vor dieser Entscheidung, würde sie es wieder tun.
    Sauber getrennt, stapelte sich der Schutt vorm Haus. Alles Holz lag auf einem Haufen. Die Ziegel auf einem anderen, ebenso die Schindeln. Der Müll war inzwischen verbrannt. Den Pferdedung hatte David flachgeklopft und zum Trocknen ausgebreitet. Einen Leichnam hatten sie nicht gefunden, jedoch etliche Mäuse- und Vogelkadaver. Und Katzendreck. Ständig ließ Lucila ihre Arbeit fallen, um kläglichem Miauen nachzugehen. Bisher ohne Erfolg.
    Reinmar heuerte zwei schwarze Arbeiter an, ehemalige Sklaven, die mit dem Schutt eine neue Hauswand hochzogen. Für die Reparatur des Daches reichten ihre Fertigkeiten nicht aus, und so zogen sie wieder ab. Da Regenzeit war, mussten Janna oder Lucila ständig mit einem Besen die Nässe hinauskehren. Aber wenigstens konnten Hinz und Kunz nicht mehr hereinspazieren. Reinmar arbeitete den halben Tag im Stall; nachmittags ritt er auf dem Kavalleriegaul in die Stadt. Niemals verzichtete er auf die einem Gentleman angemessene Kleidung. Und jedes Mal brachte er irgendeinen Aufputz für Janna mit. Sie lehnte freundlich ab. Einmal versuchte er sie auf äußerst zaghafte Weise zu küssen. Sie schob ihn zurück. Die brodelnde Ungeduld, die sie hinter der Fassade des Galans spürte, ängstigte sie mehr, als wäre er grob gewesen. Ständig fragte sie sich, ob ihr Verhalten richtig war. Vermutlich war es das nicht – Klarschiff zu machen wäre so mutig wie anständig.
    Hin und wieder brachte er ihr eines der wöchentlich erscheinenden Journale. Die correo del orinoco besaß einen Modeteil. Das läge, so munkelte man, an Bolívar selbst, der ein eitler Mann war und dem die Frauen auch in Angostura zu Füßen lagen. So erfuhr Janna, dass sich die Damen gegen die neue biedere Mode sträubten und sich lieber französisch luftig kleideten. Der Handel mit der Alten Welt kam wieder in Gang; Schiffe brachten feine Stoffe und kleine Annehmlichkeiten, wie einen Argandbrenner und Lampenöl.
    «Du solltest dein Geld nicht für Kleider ausgeben», meinte sie zu Reinmar. «Wenigstens nicht für mich.»
    Das cremefarbene Empirekleid mit den eingestickten Ähren an dem handbreiten Fußsaum und dem Spitzenbesatz an den Ärmeln und dem tiefen Ausschnitt musste, für seine jetzigen Verhältnisse, ein kleines Vermögen gekostet haben. Dank seines guten Augenmaßes sah es aus, als würde es ihren immer noch zu üppigen Formen wie angegossen passen. Sie hatte jedoch nicht die Absicht, es anzuprobieren.
    «Ich hatte noch ein paar Barockperlen, die ich verkaufen konnte.»
    Sein Atem roch nach teurem Wein. Sie sah, dass er versuchte, so warmherzig und verschmitzt wie früher zu blicken. Doch unter der Haut seines ansehnlichen Gesichts schien sich die Enttäuschung wie eine ehemals flüssige und nun erstarrte Schicht aus Erz eingegraben zu haben. Sie fragte sich, ob es nicht besser wäre, wenigstens dieses Geschenk anzunehmen. Sie würde das Kleid wohldosiert tragen müssen – nicht zu häufig, um ihm keine falschen Signale zu geben; nicht zu selten, um das andere, das in ihm lauerte, nicht zu wecken. Und da sage einer, Frauen seien nicht fähig für die Politik .
    Zumeist trug sie das ordentliche dunkelrote Kattunkleid, auch wenn sie darin schwitzte. Als David in irgendeiner Ecke das alte, aus bunten Streifen gewebte Missionskleid fand, hätte sie vor Freude weinen mögen. Sie hatte es völlig vergessen. Nun war es löchrig und mit einigen Flecken versehen, über deren Herkunft sie nichts wissen wollte. Seiner altklugen Meinung nach hatte es eine Frau getragen, die zum Soldatentross gehört hatte. Eine Marketenderin. Janna schrubbte es eine Stunde lang, ließ es trocknen und besserte die schadhaften Stellen aus, wenngleich sie darin nicht so gut wie jene Sálipure-Frauen in der Mission des heiligen Vinzenz war. Aus dem Leder eines Soldatenstiefels schnitt

Weitere Kostenlose Bücher