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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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der Zahnpasta und den Wattebäuschen aufgereiht standen. Nexium. Ambien. Xanax. Sodbrennen, Schlaflosigkeit, Angstanfälle. Hier war eine Frau nach seinem Herzen.
    Als er aus dem Bad kam, stand die Tür zu Chloes Schlafzimmer einen Spalt offen. Er sah einen Kleiderberg auf derselben niedrigen Kommode, die sie früher gemeinsam benutzt hatten. Einen Stapel Bücher auf dem Nachttisch. Ein Eckchen von dem breiten weißen Bett, in dem sie jetzt ganz allein schlief.
    Im Wohnzimmer saß Chloe in ihrem Lehnstuhl und sah die Nachrichten.
    »Und, dreht sie sich noch?«, fragte er.
    »Das schon.« Sie stand auf. »Ich muss ins Bett.«
    »Gute Nacht«, sagte er. »Und danke. Danke für alles.«
    Chloe streckte die Hand nach ihm aus, öffnete die Arme. Er hatte sich vorgenommen, sie nicht zu umarmen, aber nun ging er doch zu ihr. Chloe rieb seine Schultern. Er ließ die Hand ihren nackten Oberarm hinab bis zum Ellbogen gleiten, und sein Herz klopfte – weil er wieder ihre bloße Haut berührte und auch, weil die Knochen so erschreckend dicht unter der Oberfläche waren.
    »Bis morgen früh. Wenn du irgendwas brauchst …«
    Und dann berührte sie ihn am Arm, am Ellbogen, und strich mit den Fingerspitzen bis zu seinem Handgelenk. Einen Moment dachte er schon, sie würde seine Hand nehmen, ihn wegführen; wenn das geschah, das wusste er, dann würde er ihr widerstandslos folgen.
    Aber sie zog die Hand zurück. »Gute Nacht, Mark«, sagte sie und ging allein in ihr übergroßes Bett.
    Er legte sich auf die Couch, zog die Decke bis ans Kinn und schloss die Augen. An die Stelle der Kopfschmerzen war sanfter Schwindel getreten. Ein Abklingen wie bei einem verstauchten Knöchel. Eine Leere, aber genau umrissen – ein Schmerz-Negativ. Wie lange hatte er so etwas nicht mehr empfunden?
    Er rief sich ins Gedächtnis: Er verdiente das hier nicht. Er verdiente keinerlei Wohlgefühl. Ja, er tat, was er tun musste, aber er packte es falsch an. Allison, wo immer sie war, war kreuzunglücklich, so viel stand fest. Und er hatte vergessen, Lewis zurückzurufen. Lew sorgte sich ganz bestimmt auch.
    Er griff nach seinem Handy und schickte Lew eine sms : Alles ok. Mach dir keine Sorgen . Dann schaltete er das Telefon ab, bevor Lew antworten konnte.
    Er wünschte, er könnte Allie irgendein Versprechen geben, das zählte.
    Aber das ging nicht. Sie hatte ihm nicht geglaubt, vorhin am Telefon – keins seiner Worte hatte sie erreicht. Und so viel ihm auch vorzuwerfen war, sie hatte nicht einmal versucht , ihm zuzuhören. Allie wusste, wie skeptisch er gewesen war. Egal, wie viel Grund zum Misstrauen er ihr gegeben hatte, sie hätte sich seine Erklärungen wenigstens anhören können.
    Sie wussten jetzt mehr übereinander, das unbedingt. Trotz aller Liebe, die sie verband, waren sie an ihrer ersten echten Krise so grandios gescheitert, wie ein Paar nur scheitern konnte. Der Fehler lag bei Mark, sicher – aber schließlich hatte er ihr doch alles gebeichtet, ihr die Wahrheit gesagt, und Allison hatte mit Unverständnis reagiert, ihm verboten, heimzukommen, einfach aufgelegt.
    Ja, sie mussten sich aussprechen. Und vielleicht würden sie hinterher immer noch ein Paar sein. Doch vermutlich – und das Herz tat ihm weh bei dem Gedanken –, vermutlich eher nicht. Zu viel war geschehen. Brendan war zurückgekommen. Nichts in Marks Leben würde je wieder so sein wie zuvor.
    Jetzt endlich ließ er den Erinnerungen an Brendans Zimmer freien Lauf. Er hatte sie sich aufgespart. So viel von dem, was gestern Nacht passiert war, war bruchstückhaft, verschüttet – aber nun, da er sich öffnete, durchflutete ihn wieder dieselbe Welle des Begreifens, der Liebe, wie gestern, als sein Sohn zu ihm gekommen war.
    Brendan liebte ihn noch immer. Brendan brauchte ihn noch immer.
    Mark hatte sich zu lange von ihm abgewandt. Nicht erst nach Brendans Tod, sondern auch vorher schon. Aber jetzt konnte Mark ihm helfen. Brendan hatte ihm verziehen, und das würde Mark ihm hundertfach zurückzahlen.
    Brendans Nähe. Seine Stimme. Sein Lachen. Sein ureigener Geruch.
    Mark krümmte sich auf seiner Couch. Tränen liefen ihm übers Gesicht, auf das Bettzeug.
    So schmerzhaft es für sie beide sein würde, auch Allie musste die Wahrheit erkennen, gegen die Mark sich so lange gewehrt hatte: Keine andere Liebe in seinem Leben, egal, wie sehr er sie gewollt und erstrebt und in sie investiert hatte – egal, was für Versprechen er gegeben hatte –, konnte je an diese Liebe

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