An einem Tag im Januar
Mark, von dem sie den Blick nicht abwandte, spürte es ähnlich wie den Druck ihrer Finger auf seiner Hand. »Ich kann mir vorstellen, wie schwer es Ihnen – der mit Chloe verheiratet war, der ein Kind mit ihr hatte –, wie schwer es Ihnen fallen muss, ihr etwas abzuschlagen.
Es spielt keine Rolle, dass Sie geschieden sind. Sie beide sind aneinander gebunden.«
Sie nahm seine Hand, knetete sie. Sein Herz pochte schuldbewusst.
»Um Ihren wahren Willen zu erkennen, musste ich Sie allein vor mir haben.«
Ihre Offenheit frappierte ihn. »Woher weiß ich, dass Sie uns nicht einfach etwas vormachen?«
Sie lachte, beugte sich vor. »Gar nicht. Ich bin nicht imstande, Ihnen« – sie schwang einen unsichtbaren Zauberstab vor seinem Gesicht – »irgendetwas vorzuhexen. Ich kann Sie mit Leuten in Kontakt bringen, die für mich bürgen. Aber einen Beweis werden Sie nicht bekommen.«
»Wie viel verlangen Sie?«
»Verlangen?« Sie zog die Brauen hoch. »Ich bitte die Leute, denen ich helfe, um eine Spende für meine Kirche. Keine festgelegten Beträge – jeder entscheidet selbst, wie viel ihm meine Hilfe wert ist. Sie können darüber mit Warren sprechen, wenn Sie möchten, oder mit Chloe – sie hat schon etwas gespendet. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?« Wieder dieses Lächeln. »Oder besser noch, zwei Fragen?«
Chloe hatte bereits gezahlt? »Ja. Sicher.«
»Erste Frage. Wenn ich eine Hochstaplerin wäre, meinen Sie nicht, dass ich dann ein bisschen nobler wohnen würde?«
Sie lachte schon, ehe sie den Satz zu Ende gebracht hatte. »Sie brauchen darauf nicht zu antworten. Aber beantworten Sie mir bitte Folgendes. Chloe sagt, dass Sie – Atheist sind?«
Mark straffte den Rücken. »Ja. Immer schon. Chloe – Chloe hat gesagt, dass das kein Problem für Sie ist.«
»Es wird keine Auswirkungen auf unser Vorhaben haben. Solange Sie nur an Brendan glauben.« Jetzt straffte auch sie den Rücken. »Aber ich glaube an Gott. Ich glaube an die Opfer, die Gottes Sohn gebracht hat, und an sein Evangelium. Ich verbringe viele Stunden täglich in meiner Kirche. Sie ist mein Leben.« Ihr Ausdruck wurde leicht ironisch. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Mark. Meine Kirche ist nicht sonderlich groß. Nicht viele sogenannte Christen akzeptieren mich und das, was ich tue. Sagen wir es so: Ich bin eine Christin, die lernen musste, wie nützlich eine gewisse Flexibilität ist.
Ich glaube zum Beispiel nicht, dass ein Mann wie Sie in der Hölle landet. Ich glaube, dass jeder Mensch, der ein achtsames, opfermütiges Leben führt, das Werk des Herrn tut. Ich glaube, dass ich im Besitz einer frohen Botschaft bin, für alle Menschen, sogar jemanden wie Sie – aber am meisten zählen für mich letztlich gute Taten. Die ich selbst tun muss.
Ich glaube daran, dass ich eine Gabe habe, Mark. Ganz im wörtlichen Sinn: eine Gabe . Und ich wäre eine erbärmliche Christin, wenn ich eine Gabe Gottes missbrauchen würde, um mich dadurch zu bereichern.«
Sie schien auf seine nächste Frage zu warten. Aber eins ihrer Worte hatte sich in ihm festgehakt. Allison, dachte er und sagte: »Aber ich habe kein Opfer gebracht. Das ist nicht, was …«
» Kein Opfer gebracht?«
Er verstummte.
Trudy schloss die Finger um seine Hand. »Gott hat Ihnen Ihren Sohn genommen, Mark. Er hat Ihnen diese bildschöne Frau drüben in der Küche genommen. Ich habe euch beiden ins Herz gesehen – ich versichere Ihnen, der Verlust Ihrer Familie und der Liebe, aus der diese Familie hervorgegangen ist, ist ein unschätzbares Opfer.«
Die nächsten Worte flüsterte sie. »Und Sie haben doch noch viel mehr aufgegeben als nur Ihre Chloe und Ihren Brendan. Um hierher zu mir zu kommen. Um in Ihr altes Haus zu gehen und sich zu öffnen. Sie haben auch Ihre Überzeugungen geopfert. Ihre innersten Grundsätze.« Sie spähte ihm ins Gesicht. »Und die Frau, von der Chloe mir erzählt hat …«
»Allison«, wisperte er.
»Allison. Allison, die weit weg ist, während Sie hier sind. Allison, die wahrscheinlich Todesängste aussteht, weil Sie heute bei Chloe sind.« Trudys Blick war unverwandt. »Ist es nicht so?«
»Doch.«
»Sie haben Opfer gebracht, Mark. So unendliche große Opfer. Ich bete, oh, ich bete darum, dass Ihnen Gott, wenn unser Werk hier vollendet ist, ein wenig Frieden schenkt. Ich muss Gott seine unerforschlichen Wege zugestehen … doch selbst ich empfinde, dass Sie mehr erdulden mussten, als Sie verdient haben. Ich bin gläubig – aber nicht blind
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