An einem Tag im Januar
dürfen. Sie ist wieder eine Mutter.
Sie könnte vergessen, dass unser Ritual Brendan für immer von ihr fortsenden wird in die nächste Welt. Ich habe meine Zweifel, ob Chloe dafür stark genug ist. Also müssen Sie es sein.«
Er wollte ihr seine Hände wegziehen, zur Tür rennen. »Aber ich bin …«
Trudy wiegte sich jetzt vor und zurück wie zu einer langsamen, sanften Musik, einem Schlaflied. »Doch, Mark. Doch. Das ist kein Verrat, Mark. Es ist die Ordnung der Dinge, nichts weiter.«
Ihre Stimme wurde so leise, dass er sich nicht sicher war, ob ihre Lippen sich überhaupt bewegten.
Sie sagte: Es geht ganz leicht.
Sagen Sie Brendan, dass alles gut ist. Sagen Sie ihm, dass er keine Angst haben muss. Dass es Ihnen und Chloe gut geht, dass Sie ihn liebhaben und dass Sie einander liebhaben. Dass Sie eines Tages, ehe er sich’s versieht, wieder bei ihm sein werden. Dann wird er den Weg wissen. Wir alle wissen ihn, tief im Innern.
Sie sagte: Und im nächsten Leben werden wir alle wieder vereint sein – nicht nur miteinander, sondern mit Gott. Über alle Zeiten hinweg. Vergangenheit und Gegenwart spielen dann keine Rolle mehr. Dann sind wir alle geborgen.
Trudy lächelte, drückte seine Hände.
Bis in alle Ewigkeit, sagte sie. Geborgen für immer. Ist das nicht ein Trost?
DREIUNDZWANZIG
Nicht viel später ging Trudy hinüber in die Küche, Mark blieb zusammengesunken in der Sofaecke sitzen. Gleich darauf kam Chloe durch die Tür. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, setzte sie sich rasch neben ihn. Unwillkürlich hob er den Arm und zog sie an sich. Chloes kühle Finger schlossen sich um seine.
Ehe er irgendetwas sagen konnte, kamen auch Trudy und Warren wieder. Trudy nahm ihren alten Platz ein, und Warren lehnte sich an den Kamin.
»Sie wollen sich mit den Pelhams zusammensetzen, ist das richtig, Chloe?«, begann Trudy.
»Ja«, sagte Chloe. »Heute Abend.«
»Mr Mark«, sagte Trudy – jetzt wieder mit dem gleichen ermutigenden Lächeln wie anfangs –, »wie ich gehört habe, hatten Sie eine kleine … Meinungsverschiedenheit mit Ms Pelham?«
Er nickte.
»Dann habe ich eine Aufgabe für Sie, eine wichtige. Sie müssen sich bei ihr entschuldigen.«
»Ich …«
»Sie haben ihr gedroht, sie verhaften zu lassen, stimmt das? Ihr ihr Kind wegzunehmen?«
Er konnte es nicht leugnen.
»Der Kreis, durch den wir Verbindung mit Brendan aufnehmen, darf ausschließlich positive Energien enthalten. Es darf keinerlei Zwistigkeiten geben. Ich habe mit Connie gesprochen, sie ist eine gute Seele. Also schaffen Sie die Sache aus der Welt. Capito?«
Capito? »Ist gut.«
Zu Chloe sagte sie: »Aber treffen Sie und Mark sich nicht im Haus mit ihr. Die Atmosphäre muss sauber und ungetrübt sein, wenn wir Brendan in unseren Kreis holen wollen. Wir dürfen vorher keinerlei Spannungen riskieren.«
»Ich – ja, gut.« Chloe konnte ihre Enttäuschung nicht ganz verbergen. »Dann gehen wir vielleicht Pizza essen …«
Trudy lächelte. »Da wird sich Jacob freuen.« Und zu Mark gewandt sagte sie: »Der Junge hat wahrscheinlich eine Heidenangst vor Ihnen. Seien Sie nett zu ihm. Wir werden ihm in den nächsten Tagen einiges abverlangen.«
Er nickte.
»Trudy«, begann Chloe mit sorgenvollem Gesicht.
Trudy hielt die Hand hoch und sah erst Mark und dann länger noch Chloe vielsagend an. »Meiden Sie das Haus bis zu unserem Treffen. Das ist wichtig. Brendan wird es möglicherweise schwerfallen, unserem Ruf zu folgen. Entziehen Sie sich ihm, nur für diese kurze Zeit, dann wird er bereitwilliger kommen, wenn unser Kreis versammelt ist.« Trudy ging zu Chloe und umarmte sie mit einer Innigkeit, wie Chloe sie eigentlich nur einem Liebhaber zubilligen durfte, fand Mark – schlang ihre langen dürren Arme um Chloes Schultern, umspannte mit den Händen ihren Hinterkopf und presste ihre Wange an Chloes: »Denken Sie daran. Er leidet nicht so, wie Sie es sich vorstellen. Ich verspreche es, Chloe. Ich verspreche es.«
Chloe warf einen fast panikartigen Blick zu Mark hin. Dann durchlief ihren Körper ein krampfartiges Schluchzen, und ihre Glieder wurden schlaff. Trudy wiegte sie.
»Keine Angst«, sagte Trudy. »Alles wird gut. Euer Sohn wird geliebt. Euer Sohn wird geliebt .«
Mark wollte Chloe von Trudy wegreißen. Sie selber in seinen Armen wiegen. Sich von ihr wiegen lassen, schluchzen, wie sie schluchzte.
Warren räusperte sich. »Der Todestag ist der dreiundzwanzigste, oder?« Es klang erschreckend derb aus seinem Mund,
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