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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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immer nur wegzulaufen.
    Chloe flüsterte: »Ich war glücklich heute. Ich weiß, dass wir ihm noch gar nicht geholfen haben. Ich weiß, dass wir unsere Aufgabe noch nicht vollbracht haben. Aber es ist ein so viel besseres Gefühl – mit diesem Wissen – als vorher.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Lieber Gott, Mark. Sag mir nicht, dass so ein Gefühl … dass so ein Gefühl unrecht ist.«
    Sie missverstand sein Schweigen und richtete sich auf.
    »Entschuldige. Du und Allison …«
    »Mach dir deswegen keine Gedanken.«
    »Hast du heute mit ihr gesprochen?«
    »Ich will nicht über Allison reden.«
    Chloes Augen musterten jeden Zentimeter seines Gesichts. Ihm stockte der Atem. Dann tat sie das, was er ersehnt und gefürchtet hatte: Sie rückte dicht neben ihn, legte einen Arm um seine Schultern und die andere Hand auf seine Brust. Sie lehnte die Stirn an seine Schulter; er spürte ihr kühles, nasses Haar leicht und scharf an Ohr und Wange.
    »Stört dich das?«, fragte sie.
    Er sog den Duft ihrer Haare ein. »Nein.«
    »Findest du es schön?«, fragte sie dann. »Wenigstens ein bisschen?«
    Ihr Mund nur Zentimeter von seinem entfernt. Ihr Atem süß und warm.
    »Mehr als ein bisschen.«
    »Bist du mit Allison glücklich?«
    »Sie ist ein sehr lieber Mensch, Chloe.«
    Er hob die Hand an ihre Schulter. Streichelte sie mit dem Daumen.
    »Warst du glücklich mit mir?«, fragte sie weiter.
    »Wie kannst du denken, dass ich es nicht war?«
    Er wusste genau, wie sie das denken konnte. Weil er das Jahr vor Brendans Tod hindurch geschmollt hatte wie ein kleiner Junge. Weil er seine Nächte damit verbracht hatte, zu trinken und in seinen Computer zu starren, statt sich mit Chloe auszusprechen. Weil er ein Weichei gewesen war.
    »Ich wollte immer, dass du es bist«, sagte Chloe.
    »Ich war’s ja auch«, sagte er. »Warst du glücklich mit mir?«
    »So glücklich, wie ein Mensch nur sein kann.« Ihr Mundwinkel zuckte. Vielleicht dachte sie an ihre eigenen Versäumnisse, ihre eigenen Fehler. Daran, wie wenig an Reserven sie nach jedem Tag als Brendans Mutter für ihren Mann übrig gehabt hatte. »Ich hoffe, das wusstest du.«
    Er schob eine Haarsträhne von ihrer Wange weg. »Ja.«
    Sie sagte: »Bitte zweifle nicht daran, dass ich dich geliebt habe.«
    Aber er hatte daran gezweifelt. An ihrem Glück, an seiner Vaterrolle – allem, was er liebte. Er wusste jetzt – wusste es schmerzhaft und unentrinnbar –, wie sträflich viel er vergeudet hatte. Vielleicht war das Brendans Botschaft an ihn: Vergeude es nicht noch einmal .
    Er wandte sich ihr zu und öffnete die Arme, Chloe auch, und sie hielten einander umschlungen.
    »Meinst du, wir können je wieder glücklich sein?«, fragte sie. »So glücklich wie früher?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hoffe es.«
    »Ich sage mir immer, wenn ich es schaffe, ihm zu helfen, dann lerne ich vielleicht endlich, klarer zu sehen. Dann kann ich vielleicht halbwegs normal leben, nicht mehr als Irre. Oder mache ich mir da etwas vor?«
    »Ich wünsche mir, dass wir beide glücklich sind«, sagte er.
    »Hätten wir es denn verdient?«
    Die Frage machte ihn perplex – vielleicht gerade deshalb, weil er sie sich in seiner Chloe-losen Zeit selbst so oft gestellt hatte, fast an jedem einzelnen Tag.
    »Das musst du mir sagen.«
    Chloe wölbte die Hand um seine Wange und sah ihm in die Augen.
    »Wenn wir ihm helfen. Wenn uns das gelingt, dann vielleicht.«
    Er atmete ihren Geruch ein. Schob seine Hand über ihre und drückte sie an seine Brust. Seine Haut prickelte, sein Blut flirrte.
    Sie reckte sich hoch und knipste die Lampe aus. Ihr Mund öffnete sich, kam näher, presste sich auf seinen.
    Und er dachte: Möglich, dass sie niemals glücklich würden, er und Chloe. Aber was immer sie waren, wer immer sie einmal gewesen waren, letzten Endes verdienten sie einander.

VIERUNDZWANZIG
    Sie war zu ihm gekommen. Er hatte die Arme ausgebreitet.
    Da bist du, dachte er. Da bist du.
    In dieser Nacht sagte Mark ihr die einzige Wahrheit, für die in seinem Innern noch Platz war: Ich bin glücklich. Jetzt, in diesem Moment, bin ich glücklich.
    Sie lachte, als sie es hörte. Sie streckte die Hand aus. Rückte sich unter ihm zurecht. Nahm ihn in sich auf und lachte wieder über den Laut, der aus seiner Kehle kam. Wiegte sich sacht unter seinem Gewicht vor und zurück.
    Und jetzt ?, fragte sie.
    Später schlief sie, und Mark lag wach auf der Seite, den Bauch an Chloes Rücken geschmiegt, das Gesicht in ihrem

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