An einem Tag im Januar
waschen«, sagte sie. Sein Blick musste Bände gesprochen haben; sie lachte. »Keine Sorge, ich habe einen Bademantel, der dir passen müsste.«
Sie ging in ihr Schlafzimmer und kam mit einem flauschigen weißen Bademantel zurück. Ein Frauenbademantel, sah er erleichtert; er hatte Angst gehabt, sie könnte ihm etwas Abgelegtes von Steve geben.
Er ging ins Bad und zog sich aus; es tat gut, aus dem zwei Tage alten Zeug herauszukommen. Er duschte eilig, zog dann den Bademantel über. Chloe war nicht viel kleiner als er, aber ihr Bademantel bedeckte seine Oberschenkel gerade nur zur Hälfte, und er bekam ihn über dem Bauch kaum zu. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, feixte sie hinter vorgehaltener Hand.
»Das ist unfair«, protestierte er.
Mit der freien Hand streckte sie ihm den Wäschekorb hin, und er stopfte seine Kleider hinein. »’tschuldige, aber …«
Chloe verschwand hinunter in den Waschkeller. Als sie wiederkam, sagte sie, dass sie auch duschen wolle – und spätestens da wusste Mark, was passieren würde; während ihrer Ehe hatten sie nur dann beide abends geduscht, wenn Chloe mit ihm schlafen wollte.
Mark sah fern, hörte das Wasser rauschen, roch Chloes Seife. Zwei Sportmoderatoren tauschten sich mit markigen Stimmen über die Themen des Tages aus. Er schaltete zu den Nachrichten um: Wehgeheul, Flammenlodern.
Er durfte das nicht tun. Egal, wie wütend Allison auf ihn war, egal, dass sie vielleicht schon kein Paar mehr waren – die Umstände waren prekär, sie waren halsbrecherisch. Er konnte keine Entscheidung von dieser Tragweite treffen. Nicht jetzt.
Das Wasser im Bad hörte auf zu laufen.
Aber er hatte sie ja längst getroffen, oder? Vorletzte Nacht, in ihrem alten Haus. Als ihm mit aller Macht bewusst geworden war, wie sehr er seine Familie geliebt hatte. Das war Brendans Botschaft an ihn, es konnte keinen Zweifel geben.
Liebte Mark Allison? Doch.
Allerdings nicht so, wie er Chloe geliebt hatte. Nicht so, wie er Brendan geliebt hatte. Das war die Erkenntnis, die ihm beschert worden war. Die leuchtende Wahrheit in seinem Herzen.
Chloe kam in T-Shirt und Shorts aus dem Bad, ein Handtuch um den Kopf, lavendelduftend. Ihre Beine schimmerten im warmen, engen Lichtkreis der Lampe. Sie warf ihm einen Blick zu. »Was hast du?«
»Nichts.«
Sie ging zum Sofa und setzte sich ans andere Ende, nahm das Handtuch ab und begann damit ihr Haar zu frottieren. »Ganz sicher?«
Er wollte das Gesicht an ihrem Hals vergraben und sich verstecken – womit die Antwort auf ihre Frage wohl Nein lautete. Nein lauten musste . Aber er zwang sich zum Reden. All die Jahre hatte er ihr Gesicht vermisst, ihren Körper – aber vielleicht noch mehr hatte er es vermisst, in ihre Augen zu schauen und ihr sein Herz auszuschütten. Diese Art von Vertrautheit war ihnen früher abhanden gekommen als jede andere.
»Es ist etwas vorgefallen beim Essen«, sagte er.
Das Handtuch hörte auf zu rubbeln. »Wie meinst du das?«
»Eine Zeitlang hatte ich – konnte ich das Gefühl nicht loswerden, dass Jacob mich anlügt. Als ich ihn wegen Brendan gefragt habe, hat er ziemlich ausweichend reagiert.«
»Er tut sich schwer damit, mit Leuten zu reden. Und es ist ja auch eine schwierige Situation für ihn. Ich meine, wüsstest du , wie du dich verhalten sollst?«
»Nein. Ich hatte … es war einfach nur so ein Gefühl.«
»Und wenn? Wir haben es doch selbst erlebt, Mark.«
»Hmmh.« Sie hatte recht, aber er konnte trotzdem nicht aufhören: »Chloe, ich vergesse es. Was mir vorletzte Nacht passiert ist. Ich weiß, dass es wunderbar war, aber …«
»Du hast mir alles erzählt, unmittelbar danach«, sagte Chloe mit fester Stimme. »Und was du erlebt hast, war genau das, was ich auch erlebt habe.«
»Ich war betrunken«, wandte Mark ein.
»Du hast dasselbe empfunden wie ich. Es stand dir ins Gesicht geschrieben. Und ich war nicht betrunken.« Ihr Blick war klar und liebevoll, nichts konnte ihm verborgen bleiben. »Ich hatte diese Phase auch«, sagte sie. »In der ich verzweifelt nach Gründen gesucht habe, es abzuleugnen. Aber es ist wahr . Es ist für mich immer wieder wahr geworden. Und das wird es für dich auch.«
Chloe rutschte ein Stück näher, die Füße unter sich gezogen, ihr Haar nass und strähnig um ihre Schultern. »Hat das nicht geholfen – zu wissen, dass es wahr ist?«
»Doch.« Denn es stimmte ja. Seine Probleme waren jetzt größer, viel größer als zuvor, und trotzdem war er dabei, sie zu lösen, anstatt
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