An einem Tag im Januar
eigenen Augen gesehen.«
Sams Stimme war sanft, sein Blick durchdringend. »Du hast ihn gesehen?«
» Gehört . Ihn gespürt. Ich habe Dinge erlebt, die – die übernatürlich sind.«
Sam beugte sich vor. »Ich muss dir eine heikle Frage stellen. Ich frage das nur, weil du mein Sohn bist und ich dich liebe.«
»Okay«, sagte Mark. »Ja, okay.«
»Trinkst du wieder?«
Mark dachte an das Flackern in Jacob Pelhams Blick. An diese plötzliche Gewissheit – die Gewissheit des Vaters –, dass der Junge log.
Er sagte: »Ich kann nicht schlafen. Du machst dir keine Vorstellung, was das für ein Gefühl ist – zu denken, dass er allein in dem Haus ist …«
»Wie lange schon, Mark?«
»Einen Monat. Vielleicht ein bisschen länger.«
Jetzt war Sam seine Erregung anzumerken: »Das letzte Mal, dass du betrunken warst …«
»Ich sollte nichts trinken, ich weiß.« Mark zwang sich, seinem Vater in die Augen zu sehen. »Aber das ist jetzt unwichtig. Jetzt ist alles anders. Heute Abend helfen Chloe und ich Brendan, wenn wir können. Nur das zählt.«
Sein Vater rieb sich die Schläfen, grübelnd, grübelnd.
»Wenn du das glaubst, dann glaubst du es«, sagte er zuletzt. »Ich kann dir keine Vorschriften machen. Aber ich bin enttäuscht von dir, Mark. Das muss ich doch wenigstens sagen dürfen. Vielleicht sogar über diese Sache mit Brendan, obwohl ich mich da nicht einmischen sollte.«
Mark wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber Sam hielt die Hand hoch.
»Du bist ein erwachsener Mann. Aber ich bin hier, weil mich deine Verlobte gestern weinend angerufen und mir gesagt hat, sie wüsste nicht, wo du bist. Ich bin nicht wegen Brendan hier. Ich bin hier, weil du abgehauen bist. Weil du Menschen, die dich lieben, im Stich lässt. Und das letzte Mal, als du dir so etwas geleistet hast, wärst du fast draufgegangen.«
Mark konnte nichts antworten. Es war alles zu viel, viel zu viel.
»Mark«, sagte Sam. »Ich liebe Chloe wie eine Tochter. Und ein Teil von mir vermisst sie in deinem Leben und vermisst sie in meinem.
Aber Allison erwartet mein Enkelkind. Und ich sage dir, ich habe Angst um dieses Kind. Ich habe Angst um seine Familie.«
So ruhig er konnte, sagte Mark: »Ich werde für das Kind da sein. Ich habe Allie mein Wort gegeben.«
Sam betrachtete ihn zweifelnd. »Sicher?«
»Dad! Herrgott noch mal!«
»Ja?«
»Ich kriege das hin«, sagte Mark. »Versprochen.«
»Möglich«, sagte sein Vater. »Möglich.«
»Ich schwör’s dir. Du – du weißt einfach nicht, was ich ausgestanden habe. Was das alles für mich bedeutet.«
Sam holte tief Atem und schob dann seinen Kummer beiseite. Mark konnte ihm förmlich dabei zuschauen.
»Also gut. Erzähl mir, was passiert ist«, sagte er. »Bekehre mich.«
Stockend berichtete Mark ihm alles von Anfang bis Ende. Diesmal waren seine Auslassungen anderer Art als neulich bei Lewis. Er unterschlug seine Unterhaltung mit Jacob Pelham. Seinen plötzlichen Zweifel. Die Lüge, die er Jacob mit auf den Weg gegeben hatte.
Er brauchte fast vierzig Minuten für seine Geschichte. Sein Vater hakte nur vereinzelt nach; die meiste Zeit stützte er den Bart in die Hand und starrte in seine Tasse.
Am Schluss stellte Mark genau die gleiche Frage wie Chloe, mit genau der gleichen drängenden Hoffnung wie sie: »Glaubst du mir?«
Und sein Vater antwortete mit den gleichen Worten wie er:
»Ich glaube, dass du es glaubst«, sagte Sam. »Aber ich kaufe dir kein Wort davon ab.« Mit erhobener Hand brachte er Marks Einwände zum Schweigen. »Und deshalb möchte ich heute Abend auch mit dir mitkommen.«
SECHSUNDZWANZIG
Ehe Mark etwas entgegnen konnte, fuhr Sam fort: »Ich verstehe es ja. Doch. Wenn ich an deiner Stelle wäre – wenn du gestorben wärst, und jemand würde mir sagen, du bist wieder da –, dann würde ich mich selbst überzeugen wollen. Ich würde Gewissheit haben wollen. Ich würde wollen, dass die Geschichte stimmt, egal, wie groß meine Zweifel wären.«
»Ich habe keine Zweifel mehr«, sagte Mark.
»Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass dich jemand begleitet, der noch welche hat.«
»Dad …«
Sam beugte sich vor. »Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass eine Gruppe ansonsten vernünftiger Menschen kollektiv einer Lüge aufsitzt«, sagte er und zählte die Beispiele auch schon an den Fingern her: »In diesen Bergen liegt Gold. Es lebt ein prähistorisches Ungeheuer im See. Meine Nachbarin ist eine Hexe. Die Juden sind Ungeziefer.«
»Verdammt,
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