An einem Tag im Januar
bevor sie weitersprach. »Uns mit einem Kind. Ich meine, dass du ein guter Vater bist, weiß ich. Ich glaube, dass wir gute Eltern wären. Wir zwei zusammen.«
Sein Mund war trocken. »Glaubst du?«
»Ja, das glaube ich.« Sie erwiderte seinen Blick. »Ich würde dich nicht heiraten wollen, wenn ich nicht glauben würde, dass wir das hinbekämen. Eltern zu sein. Falls.«
Er wählte seine Worte mit Bedacht. »Ich war kein so guter Vater, wie du denkst. Und auch kein so guter Ehemann.«
Allie setzte zum Widerspruch an, bremste sich jedoch. Sie hatte Chloe nur zweimal kurz getroffen, aber er hatte ihr viel über das Ende seiner Ehe erzählt. Und sie sah ihm ja an, wie sehr ihn die seltenen Abende mit Chloe jedes Mal mitnahmen. Allies Ehe war wohl wirklich furchtbar gewesen, und bei Marks einer Begegnung mit Bill hatte er ihn nicht sehr sympathisch gefunden, aber warum sollte er ihn hassen? Sie hatten einfach nicht zusammengepasst, und sollte Bill ihn je fragen, würde Mark ihm genau das sagen. Aber er hatte Allison im Verdacht, für Chloe eine handfeste Gardinenpredigt parat zu haben: Was du Mark damals angetan hast, du gemeingefährliche Irre …
»Du bist zu streng mit dir«, sagte sie mit belegter Stimme.
Er küsste sie auf den Scheitel. Die paar Schluck Wein, die er getrunken hatte, schienen sich als eine milde, wolkige Heiterkeit in seinem Kopf zu ballen. Gut, sechs Jahre Abstinenz waren lang – aber so lang?
»Wir wären gut, wir zwei. Falls«, sagte Allie. »Oder?«
Er musste ihr eine Antwort geben. Ihr keine zu geben wäre unfair gewesen. Und im Moment fiel ihm die Antwort leicht.
»Wir wären spitze«, sagte er. »Aber noch nicht gleich, in Ordnung? Ich möchte dich erst noch eine Zeitlang für mich haben.«
Ihre Augen waren feucht. »Das möchte ich auch«, sagte sie und beugte sich vor, um ihn zu küssen.
Mark hatte gedacht, der Wein würde ihm schlafen helfen, doch stattdessen lag er hellwach da, während Allison neben ihm schnarchte, und dachte an die fremde Anruferin. Er dachte an seinen Vater und die neue Freundin seines Vaters. Er dachte so lange, wie er es nur ertrug, über die Vorstellung nach, ein Kind mit Allison zu haben.
Die meiste Zeit dachte er an Brendan.
Präziser gesagt gab er sich, wie so oft, einer alten, schuldbewussten Phantasie hin, die ihn gleichermaßen beglückte und quälte. In dieser Phantasie waren Mark und Chloe geschieden, und Brendan – der nicht gestorben war – lebte bei Chloe. Und weil es eine Phantasie war, war Brendan auch nicht älter geworden. Nein, statt einem stillen, in sich gekehrten Teenager (der zweifellos aus ihm geworden wäre, wenn er die Scheidung seiner Eltern hätte miterleben müssen) war der Brendan, den Mark sich zusammenträumte, immer noch sieben, immer noch derselbe magere kleine Junge wie an dem Tag, an dem er die Treppe hinuntergefallen war. Sein Haar war immer noch verwuschelt und zu lang, und er trug immer noch das graue Buckeyes-Sweatshirt und die Jeans, die er angehabt hatte, als Mark ihn als verkrümmtes, schlaffes, regloses Bündel auf dem Treppenabsatz gefunden hatte.
Aber er lebte, dieser Brendan, und Mark besuchte ihn und Chloe in ihrem alten Haus, wo sie immer noch wohnten, und Brendan und er saßen nebeneinander in der alten Hollywoodschaukel, und es war Frühling, und die Bäume fingen eben an zu blühen, und Brendan hielt die Hände im Schoß gefaltet und weigerte sich, den Kopf zu heben, als Mark ihm erklärte, dass er eine neue Frau heiraten wollte – als Mark ihm sagte: Du wirst sie sehr nett finden – als Mark ihm versprach: Du wirst auch sicher nie Mama zu ihr sagen müssen – als Mark sagte: Ich hab mich einsam gefühlt ohne dich und deine Mutter, das weißt du, oder? Brendan sagte nichts. Drinnen im Haus, das wusste Mark, weinte Chloe.
Er sagte zu Brendan: Eines Tages wirst du mich vielleicht verstehen, aber jetzt saß Brendan plötzlich nicht mehr neben ihm auf der Schaukel, und im Haus, ganz in der Mitte, wo die Treppe war, schwoll Chloes Weinen zu einem wilden, entsetzlichen Schrei an …
Mark fuhr aus dem Schlaf auf. Allison neben ihm bewegte sich, öffnete aber nicht die Augen. Er war eingedöst, ohne die Nachttischlampe auszuknipsen. An Allisons linker Hand, die flach auf seiner Brust lag, glitzerte der Ring. Chloe, wo immer sie war, weinte und schrie nicht. Mark war hier, in seinem neuen Leben, glücklich. Und sein Junge – die Erkenntnis senkte sich auf seine Brust nieder wie ein Bügel aus Eisen –
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