An einem Tag im Januar
die Lichter der Scheinwerfer aufsplitterte, so dass es wirkte, als sei die Fensterscheibe von gezackten Sprüngen durchzogen.
»Nein«, sagte sie. »Ich – nein. Wir kennen uns nicht. Nicht in dem Sinn. Ich – ich habe so ein bisschen Detektiv gespielt, aber ich bin nicht besonders gut darin.« Sie holte tief Atem, als müsste sie Mut sammeln. »Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen, Mark?«
Detektiv gespielt? »Worum geht es denn? Schulde ich irgendwem Geld?«
»Nein. Nein, gar nicht. Ich bin nicht auf Sie angesetzt oder so.« Sie lächelte. »Ich bin einfach nur … ich.«
Und wer war das, bitte schön? Eine Frau, der er Angst machte, neulich schon und jetzt auch wieder. Jeder Ansatz von Neugier wurde von einem unguten Gefühl erstickt.
Connie sah schon wieder durchs Fenster. »Entschuldigung«, sagte sie, als sie seinen Blick bemerkte, »mein – mein Exmann muss jeden Augenblick hier sein. Er bringt meinen Sohn zurück.«
Das Kind, das bei ihrer Nachricht im Hintergrund zu hören gewesen war. Diese fremde Frau hatte ein Kind, und er hatte keins.
»Ms Pelham, worum geht es?«
Sie nickte, als würde sie einer inneren Stimme lauschen. »Ich sage es jetzt einfach. Mr Fife, ich wohne in der Locust Avenue 156. Im Victorian Village.«
Er zuckte zusammen. Das war seine eigene Adresse – seine und Chloes alte Adresse, aus ihrem alten Leben. Das Haus, in dem sie mit Brendan gewohnt hatten. In dem Brendan gestorben war.
Sie fuhr fort: »Mein – mein Exmann und ich haben es vor einem Dreivierteljahr von Margie Kinnick gekauft. Ich … Ihr Name stand in den Unterlagen. Ich habe Ihr Foto im Netz gefunden, auf Ihrer Website. Ich habe hin und her überlegt, ob ich Sie anrufen soll oder nicht. Dann habe ich gedacht, nein, ich sag’s Ihnen doch lieber persönlich. Ich hab Sie in dem Coffee Shop entdeckt, wissen Sie noch, als ich geschaut habe, wo Sie wohnen – aber wie Sie da hinterm Fenster saßen, bin ich doch wieder nervös geworden, und ich dachte, nein, das kannst du nicht machen, lass dem armen Mann seinen Frieden …«
Ihre Stimme kippte, als könnte sie gleich zu weinen anfangen. Sein ungutes Gefühl verdichtete sich zu Panik, und er schaute im Laden umher, ob nicht endlich Allison kam, um ihn zu retten.
»… aber dann habe ich Sie vorhin zur Tür reinkommen sehen, und da dachte ich, vielleicht sollte es ja so kommen, verstehen Sie? Vielleicht soll ich mit Ihnen reden?«
Und Connie lächelte plötzlich – ein seltsames, hoffnungsvolles Lächeln. »Glauben Sie, dass manche Dinge vorherbestimmt sind?«, fragte sie. »Vom Schicksal gewollt?«
Mark hatte diese Frage öfter gestellt bekommen, als er sich erinnern mochte, von Freunden und Fremden gleichermaßen, als müsste sie ihm ein Trost sein. Seine Mutter verkümmerte zu einem wimmernden Skelett, ehe sie starb, und sie fragten ihn nach Gottes Plan. Sein Sohn brach sich das Genick, und er sollte ihnen bestätigen, dass nichts ohne Grund geschah. Seine Frau verließ ihn, um sich ganz ihrem Kummer hingeben zu können, und sie kamen ihm mit der Vorsehung.
»Nein«, sagte er gepresst. »Nein, das glaube ich nicht.«
Connie runzelte die Stirn. »Ich schon. Und dass ich Sie hier treffe ist – ja, auch nicht merkwürdiger als alles andere, was passiert ist, denke ich mal.«
Er hörte die Stimme seines Vaters: Denken Sie mal?
Auch Mark dachte sich seinen Teil. Connie konnte ja eigentlich nur über eines sprechen wollen, oder? Wenige Wochen nach Brendans Unfall hatten Chloe und er beschlossen, das Haus zu verkaufen – sie hielten es nicht mehr aus dort, erst umgeben von Brendans Spielsachen, seinen verstreuten Kleidern, und dann von der schmerzlichen Leere. Sie ertrugen den täglichen Weg die schmale Treppe hinauf und hinunter nicht. Den Widerhall ihrer eigenen Stimmen.
Aber niemand machte ihnen ein Angebot. Wie sich herausstellte, gab es eine Bestimmung: Kaufinteressenten hatten davon in Kenntnis gesetzt zu werden, wenn in den letzten drei Jahren in einem Haus jemand gestorben war. Mit einem Jahr hätten Mark und Chloe sich abgefunden – aber drei? Drei erschien unfassbar grausam.
Nach sechs Monaten allerdings hatte sich die Maklerin, Margie Kinnick, ihrer erbarmt – die liebe Margie, die beim Kauf so nett zu ihnen gewesen war, die noch Jahre später bei ihnen hereingeschaut hatte, sooft sie in ihre Straße kam. Sie suche selbst nach einem Haus im Village, sagte sie, und ihres habe sie immer besonders gemocht. Ihr Kummer tue ihr in der Seele weh.
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