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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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lange schon wünschte.
    Schließlich lächelte er sie an und sagte: Das soll keine Anmache sein, aber – dürfte ich sie vielleicht mal hören?
    Allison sah ihn lange zweifelnd an, dann nickte sie. Sie stand auf, trat zu ihm und streifte ihr dünnes Baumwollhemdchen hoch. Mark brachte sein Ohr mit einer Behutsamkeit an ihren prall gewölbten Bauch, als näherte er sich einer antiken Vase. Er schloss die Augen. Lauschte auf das merkwürdige, ferne Schleifen und Schwappen – wie ein Wal, tief im Meer.
    Weißt du, was ich für dich getan habe?, wollte er fragen. Welchen Preis ich gezahlt habe, um hier bei dir zu sein?
    Er hörte seiner dunkeläugigen Tochter zu, wie sie sich drehte und regte.
    Du weißt es nicht, sagte er ihr. Und du sollst es auch nie wissen.

ZWEI
    Wie er auf die Idee gekommen war, hätte er selbst nicht sagen können, jedenfalls fuhr Mark an diesem Augustnachmittag, nachdem das Babybett gekauft war, zügig und ohne größere Angst in Richtung Victorian Village und Locust Avenue.
    Einen Abschied war er noch schuldig, bevor er und Allison nach Denver aufbrachen. Er hatte das Village seit jener Nacht Ende Januar konsequent gemieden. Jetzt rollte er langsam über das Kopfsteinpflaster und fragte sich, wie lange er die Gegend nicht mehr bei Tageslicht und unter einem blauen Sommerhimmel gesehen hatte. Seit Jahren nicht mehr – seit Chloe ihn damals verlassen hatte, vermutlich.
    Die schönen alten Straßen wirkten so lebendig, wie Mark sich fühlte. Nur wenige Tage im Jahr waren in Columbus derart klar und blau. Die Leute saßen auf ihren Veranden, in Hollywoodschaukeln, knieten in Blumenbeeten. Zwei Frauen sonnten sich auf einer Decke vor ihrem Haus. Gestern hatten die Buckeyes das erste Spiel der Saison gewonnen. Wohin er auch blickte, schienen die Leute vergnügt, voller Erwartung.
    Er hatte eigentlich nur an dem Haus vorbeifahren wollen, aber der schöne Tag und die kühle Luft, die zu seinen offenen Fenstern hereinströmte, lockten zu sehr, und so hielt er wie schon im Winter auf der anderen Seite des Parks, der jetzt von Kindern wimmelte. Ein ganzer Pulk drehte sich auf dem Karussell, andere wippten auf den quietschenden Marienkäfern vor und zurück. Ein junges Pärchen saß auf einer Bank und schaute zu.
    Mark sah durch das Beifahrerfenster zu seinem alten Haus hinüber. Jemand war daheim: die Wohnzimmerfenster standen offen, die Vorhänge dahinter blähten sich im Wind. Die Fenster im Obergeschoss waren zu, die Rollos heruntergelassen.
    Wohnte Connie noch hier? Ihm war kein Verkaufsschild aufgefallen.
    Das Haus wirkte so einladend von hier, so freundlich und heil. Wer immer jetzt darin wohnte, Mark wünschte ihm, dass der Eindruck nicht trog.
    Er wollte gerade wieder anfahren, als er merkte, dass eins der Kinder aufgehört hatte zu spielen und zu ihm hersah: ein linkischer, rundbäuchiger Junge auf einem Fahrrad, auf dessen Kopf ein pilzförmiger gelber Plastikhelm saß. Mark wollte sein Fenster hochkurbeln, aber Jacob Pelham rollte sein Rad schon den Pfad entlang auf ihn zu.
    »Mr Fife!«
    Mark zwang sich zum Lächeln. Jacobs Gesicht war verschwitzt, achtsam, aber er lächelte zurück.
    »Hallo, Jacob«, sagte Mark. »Wie geht’s dir?«
    »Gut. Ich radle.«
    Was um alles in der Welt sollte er mit diesem Jungen reden? »Ich … ich hab dich hier gar nicht erwartet. Ich hätte gedacht, du und deine Mutter zieht wahrscheinlich weg.«
    »Tun wir auch, in zwei Wochen.« Jacob runzelte die Stirn. »Wussten Sie das gar nicht?«
    »Ich habe deine Mutter nicht mehr gesprochen, seit … seit letztem Winter.« Mark sah sich im Park um. »Ist sie hier?«
    »Sie ist drinnen.« Jacob wischte sich über die Lippe, auf der die Schweißperlen standen. »Sie packt.«
    Das junge Paar auf der Bank beobachtete sie.
    »Mr Fife«, sagte Jacob, »mir tut das echt wahnsinnig leid, was passiert ist.«
    »Bitte, Jacob – es braucht dir nicht leidzutun.«
    »Tut’s aber«, sagte Jacob. »Ich wär so froh, wenn es nie passiert wäre. Ich dachte immer, hoffentlich kommen Sie irgendwann mal vorbei. Mom« – er senkte die Stimme, schob das Rad noch näher an Marks Auto heran –, »Mom hat mich zur Beichte geschickt, und Pater McCormack hat gesagt, ich soll Ihnen einen Entschuldigungsbrief schreiben, aber als ich das Mom erzählt hab, hat sie’s mir verboten. Ich hätt’s schon gemacht.«
    Mark beugte sich zum Fenster vor. »Jacob. Ich hab dir verziehen. Ich bin dir nicht böse, und ich war es nie. Versprochen. Wir

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