An einem Tag im Januar
einmal hatte probieren wollen. In kürzester Zeit hatte er einen Einkaufskorb mit Flaschen gefüllt. Sie klirrten so nett gegeneinander, und es gefiel ihm, wie das Licht aus den Ladenfenstern in ihren Rundungen zu glühen begann. Er bezahlte und eilte mit seiner Beute nach Hause.
Er war nie ein großer Trinker gewesen. Am College hatte er sein Quantum an Bier weggezecht, aber nicht mehr als die meisten seiner Freunde und ein ganzes Stück weniger als Lew. Wie fast jeder Student hatte er sich ein paarmal übel besoffen, auf Partys, wo er allein war und gern Anschluss gefunden hätte. Und auch er und Chloe waren nicht unbedingt abstinent gewesen in ihrer ersten Zeit. Sie wurde zwei Monate vor ihm einundzwanzig, und zur Feier ihrer neuen Mündigkeit kaufte sie eine Flasche Cognac, einfach um des Klangs willen, mit der sie dann nackt im Schneidersitz bei ihr auf dem Bett saßen und mit einem Glas nach dem anderen anstießen.
Als Frischverheiratete tranken sie Alkohol, wenn sie essen gingen oder sich einen Film ansahen. Als dann Brendan kam, hielten sie sich beide viel mehr zurück – Mark trank ein paar Bier, wenn er sich mit Lewis traf, und ab und an einen Wein zum Essen, und lange Zeit vermisste er dabei gar nichts.
In Brendans letzten beiden Lebensjahren hatte sich das allerdings geändert. Mark wurde in seiner Firma befördert, er leitete nun ein eigenes Design-Team – ein Grund zur Freude, hätte er gedacht, aber letzten Endes bedeutete es einfach nur zehn zusätzliche Stunden Arbeit pro Woche. Chloe musste jeden Morgen um sechs in ihrer Schule sein, deshalb ging sie früh ins Bett, und Mark kam oft so spät heim, dass er ihr gerade noch einen Gutenachtkuss geben konnte – sie hatten jetzt viel seltener Sex als selbst noch während Brendans Säuglingszeit.
Brendan lag meist schon im Bett, wenn Mark nach Hause kam; er sah ihn wach erst beim Frühstück. In der Regel fühlte er sich angespannt und aufgedreht von der Arbeit, und so genehmigte er sich, um seiner Einsamkeit und dem Verlangen nach Sex zu entgehen, als Absacker noch ein Bier oder einen Whiskey, manchmal auch beides. An vielen Abenden nahm er sich auch ein Glas Whiskey mit hoch in sein Büro im Turm, wo er im Dunkeln im Netz surfte oder Quake spielte. Über eine lange Zeit tat dieses Ritual seine Wirkung. Entspannte ihn – zumindest bis Chloe ihn deswegen anzugreifen begann, in diesen letzten Monaten vor Brendans Tod. Ihm vorwarf, er trinke heimlich.
Aber in dieser Woche allein in dem Haus, ohne Chloe oder Brendan, stellte sich der alte Trost, das tiefe Nichts des Schlafs, nicht ein. Der Schnaps brachte ihm nur ein Gefühl der Taubheit. Mark driftete ein paar Zentimeter weg von sich – ein begrüßenswerter Abstand, fand er.
In diesem verschwommenen Niemandsland begannen seltsame Dinge zu passieren. Eines Nachts – war es seine zweite dort, seine dritte? – tappte er vorsichtig die Stufen hinauf und wühlte in ein paar Kartons, bis er genügend Bettzeug gefunden hatte, um sich Brendans altes Bett zurechtzumachen. Er legte sich hinein, sein halbvolles Whiskeyglas auf der Brust abgestellt. Er redete in die Luft, mit Chloe, mit Brendan, allen beiden. Etwas später erwachte er im Dunkeln, die Matratze neben ihm whiskeygetränkt, die Nacht ein einziges Strudeln und Taumeln.
Irgendwann noch viel später klingelte sein Handy neben ihm auf dem Bett. Er griff danach, sagte Hallo und hörte Chloes Stimme. Mark, sagte sie, rasch, abgehackt. Chloe, sagte er mit schwerer Zunge. Sie sagte: Du hast sechsmal bei mir angerufen.
Hatte er das? Wann?
Ich wollte deine Stimme hören, sagte er ihr. Sie sagte: Du bist betrunken, oder? Das war Chloe, wie sie die letzten Monate hindurch geklungen hatte: hohl, eine Puppe, die sprach, wenn man an einer Strippe zog. Ich liebe dich, sagte er. Ich denke die ganze Zeit an dich. Komm zurück. Nein, sagte sie. Bitte, sagte er. Ich steh das nicht alleine durch. Sie sagte: Ich hab es monatelang allein durchstehen müssen. Jahrelang.
Ein langes Schweigen. In dem sie, so Marks Verdacht, beide das Gleiche vor sich sahen: Mark, allein in dem Haus. Wie er auf Brendan aufpasste, allein. Auf dem Sofa seinen Whiskey-Cola trank, allein.
Chloe legte auf.
Bruchstücke von dem, was danach gekommen war, wusste Mark noch. Er war hinunter in die Küche gegangen und hatte die letzte Flasche Whiskey geholt. Sie an den Mund gesetzt und getrunken, bis er von innen heraus glühte wie eine Scherbe, durch die das Licht scheint.
Irgendwann war
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