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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Moment aus tiefstem Herzen gewünscht hatte, überhaupt nicht mehr aufgewacht zu sein.

ZEHN
    Am nächsten Tag, einem Samstag, blieb Mark allein zu Hause. Allison brach gleich nach dem Frühstück auf, ein bisschen durch die Geschäfte bummeln, dann Kaffee mit einer Freundin; sie würde erst zum Abendessen zurück sein, sagte sie ihm, vielleicht auch später. Er saß am Computer und tat so, als würde er arbeiten – als sei er in Gedanken nicht immer noch in seinem alten Haus und versuchte sich mit aller Macht aus der Welt zu saufen.
    Allison küsste ihn auf die Stirn und sah dann besorgt auf ihn herunter. »Soll ich lieber hierbleiben?«
    »Ich komm schon klar«, versicherte er ihr – doch als sie fort war, schwindelte ihn plötzlich vor Verlassenheit.
    Aber die Arbeit rief. Das Leben ging weiter. Er griff nicht zum Handy und bat sie zurückzukommen. Er wandte sich dem Computer zu, öffnete seine Dateien.
    Ruft nach seinem Daddy.
    Tu’s nicht, befahl er sich.
    Aber er tat es doch. Nach einem weiteren Kaffee – denn mehr als eine Stunde konnte er letzte Nacht nicht geschlafen haben – schloss er seine Dateien wieder und öffnete den Browser. Er gab in das Suchfeld das Wort Geister ein und drückte auf Enter . Dann klickte er sich durch ein paar der über einhundertsechzig Millionen Treffer.
    Offenbar gab es eine Menge Leute, die felsenfest an Geister glaubten.
    So gut wie alle Websites, auf die er geriet, waren dilettantisch aufgezogen. Bei zwei Adressen, beides angeblich Links zu einer Galerie mit »Geisterfotos«, griff sein Virenschutzprogramm ein. Eine Seite zeigte ein um einen Konferenztisch versammeltes Team von »Geisterjägern«: lauter teigige, nicht mehr ganz junge Weiße in identischen blauen Polohemden, die schrecklich harmlos und wohlgelaunt in die Kamera grinsten. Willkommen beim Behindertenausflug, dachte Mark.
    Andere Bilder – die Menschen auf ihnen, hinter ihnen – trafen ihn mitten ins Herz.
    Bilder von Leuten auf nächtlichen Friedhöfen, über deren Köpfen einen glimmender Lichtschein schwebte. Bilder von Spiegeln, in denen sich eine zusätzliche Gestalt mitzuspiegeln schien ( nicht Tommy, der das Bild geknipst hat, der sieht SO aus, also wer ist das da im spiegel!?? ); Fotos von Hochzeitsfeiern, bei denen in der Reihe der Trauzeugen ein Schatten zu ahnen war (das muss Wills Opa Joe sein, der kommen sollte aber einen Herzinfark hatte und im Mai gestorben ist. Wenn man richtich hinschaut hat der Schatten einen Hut auf wie der Lieblingshut von Joe – danke fürs kommen Opa Joe, wir vermissen dich und beten für dich) ; unscharfe Bilder von Gesichtern, die von Fernsehbildschirmen reflektiert wurden.
    Die Verzweiflung, die Einsamkeit und Sehnsucht kam aus dem Monitor gekrochen wie Ozongas. Die Fotos schienen alle in Trailern geschossen worden zu sein, auf den Türstufen heruntergekommener Häuschen irgendwo auf dem Land oder auf kleinen, flachen, baumlosen Friedhöfen. Die Hochzeiten fanden auf Standesämtern und in ländlichen Kirchen statt. Ein paar Bilder zeigten auch berühmte oder zumindest öffentliche Orte, aber die wenigsten waren in Villen aufgenommen, in Häusern, deren Besitzer Geld hatten.
    Fast alle diese Berichte, Bilder und verschwommenen YouTube-Videos waren ganz eindeutig getürkt. Eine alte Schwarzweißfotografie zeigte eine Frau, die auf einem Grabstein saß – eine zweifellos lebende Frau, die trauernd den Kopf senkte. Nur ihre Beine wirkten ganz leicht durchsichtig – Beweis genug, behauptete die Website, dass die Frau ein Geist sei. Historischen Niederschriften zufolge war sich der Fotograf sicher, allein auf dem Friedhof gewesen zu sein. Seinem Zufalls-»Treffer« verdanken wir eine der deutlichsten Aufnahmen einer Geistererscheinung, die jemals gemacht wurde.
    Sein Vater hatte einen Namen für so etwas: Bockmist.
    Geschichte, so hatte Sam einmal zu ihm gesagt, ist zu neunzig Prozent Bockmist.
    Wann war das gewesen? Irgendwann in seinem Büro an der Uni – Mark musste noch klein genug gewesen sein, um über einen so deftigen Ausdruck aus dem Mund seines Vaters zu erschrecken. Neun oder zehn. Aber er hatte aufgemerkt, wie er sollte.
    Im Prinzip, hatte sein Vater gesagt – Mark hatte wissen wollen, was er denn den ganzen Tag so mache an seinem großen hölzernen Schreibtisch in diesem großen Gebäude voller richtig erwachsener Studenten mit beängstigenden Bärten und Busen und Beinen –, im Prinzip wühle ich nur den ganzen Tag im Bockmist anderer Leute herum und

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