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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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stimmt nicht. Das ist nicht der Punkt.«
    »Geh auf Nummer sicher«, sagte Lew sehr leise. »Wir könnten auch zusammen hinfahren, wenn du willst.«
    Mark schloss die Augen. Der Raum schien kaum wahrnehmbar zu schwanken. »Ich kann das nicht.«
    »Ich sage nicht, dass du musst.«
    Er klang so furchtbar, so falsch. »So hat sich das aber gerade nicht angehört.«
    »Du hast mich gefragt, ich habe geantwortet. Mark, ich frage doch nur: Was wäre, wenn. «
    »Und ich frage das nicht, oder wie?«
    Lews Blick war weich, verletzt. »Kannst du denn anders?«
    Und da war sie, die Verurteilung, die Mark nicht für möglich gehalten hatte – nicht von Lew. Nicht von einem Mann, der an Geister glaubte, weil er als Teenager verdammt noch mal bekifft gewesen war.
    Nicht von einem Mann, der keine Kinder hatte, der nie einen Sohn gehabt hatte, der nie eine nicht enden wollende Stiege hochgerannt war, an deren Ende ein zerschlagener kleiner Junge lag.
    »Ich muss los.«
    Lews Stimme klang belegt. »Mark. Jetzt komm. Reg dich nicht auf, ich hab doch nur … Komm. Setz dich wieder hin.«
    Mark war aufgestanden, er griff nach seinem Mantel.
    Lew stand auch auf. »Mann, Mark, es tut mir leid, Alter. Sag mir, was ich tun kann.«
    »Du kannst gar nichts tun.« Mark zog den Mantel an. Wenn er nicht machte, dass er rauskam, würde er losheulen.
    Lews schwere Pranke legte sich ihm auf die Schulter, als er sich zwischen ihm und dem Tresen durchschob, und in Mark regte sich der Wunsch – nein, der fast unwiderstehliche Drang –, stehen zu bleiben und sich von Lew in den Arm nehmen und trösten zu lassen wie früher, wenn Mark tiefnachts in seiner Wohnung auf und ab gestromert war, auf der Flucht vor seinen schlimmsten Gedanken, die sich geifernd gegen die Tür ihres Zwingers warfen. Und Lew zu ihm geeilt war. Weil Mark ihn gerufen hatte.
    »Ich muss los«, sagte er noch einmal. Er knöpfte seinen Mantel zu und hastete durch die Tür, hinaus in die Abendkälte.
    Lange saß er einfach nur in seinem Auto. Er wischte sich die Augen und beobachtete durch die beschlagene Windschutzscheibe, wie Lew um die Ecke bog, barhäuptig und mit offenem Mantel, und sich nach rechts und links nach ihm umsah. Er zog sein Handy heraus und wandte sich nach Süden, die Hand an sein freies Ohr gedrückt. Marks Telefon zirpte in seiner Brusttasche, und er ignorierte es, bis es verstummte.
    Er sah auf seine Uhr. Fast acht – eigentlich sollte er heimfahren. Er hatte Allison nicht mal einen Zettel hingelegt, aber wahrscheinlich war sie auch noch nicht zurück. Sie würde schon anrufen, wenn sie das Haus verlassen vorfand.
    Alles fühlte sich verkehrt an. Er, die ganze Welt. Er hatte gerade drei Bier getrunken – so viel wie seit einer Ewigkeit nicht mehr. Seine Bewegungen waren zäh, seine Gedanken seltsam verdickt. Vielleicht war er sogar über der Promillegrenze.
    Was er jetzt brauchte – was die Situation zwingend erforderte –, war ein kurzer Spaziergang. Die Luft war klar und frisch. Sie würde ihm den Kopf freipusten.
    Und nicht nur das. Er haderte mit dem Viertel, und das nicht erst seit heute. Jahrelang suchte ihn diese Gegend schon heim. Wenn er eine Weile durch die Straßen lief, würde er sehen, dass es nichts für ihn zu fürchten gab, weder hier noch sonst wo. Und wenn er sich dann besser fühlte, konnte er vielleicht Lew anrufen. Sich für seine Reaktion vorhin entschuldigen. Und ihm – fest und unbeirrt – sagen, dass er sich zu hundert Prozent sicher war.
    Mark stieg aus und ging langsam zur Straßenecke zurück. Von Lew keine Spur. Er schaute nach rechts und nach links. Schaufenster, Bars, Galerien – er erkannte nichts wieder. Alle seine alten Stammplätze: wie weggehext.
    Weggehext .
    So konnte es nicht weitergehen – dunkle Ecken und morbide Assoziationen auf Schritt und Tritt. Er war ein erfolgreicher Mann. Er war mit Allison Daniel verlobt. Noch vor zwei Wochen war er glücklich gewesen. Trug wirklich Connie Pelham die Schuld, wenn er es jetzt nicht mehr war?
    Sein altes Haus lag nur eine knappe Meile westlich von hier – ja und? Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass es nichts weiter war als ein Haus, in dem er früher einmal gewohnt hatte: Holz, Stein, Ziegel und die Luft, die sie umschlossen. Und ein Mann, der sich dessen zu hundert Prozent sicher war, der sich nicht von albernen Was-wäre-wenn -Spielchen kleinkriegen ließ, konnte verdammt noch mal hingehen, wo es ihm passte.
    Und das würde er auch.
    Er wandte sich auf der

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