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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Konzentration gestört, ihn verärgert.
    Wenn Brendan genug Treffer schaffte, so lautete ihre Abmachung, ging Mark mit ihm in die Eisdiele schräg gegenüber, die er so liebte: Fitz’s Old-Time Ice Cream & Soda Shoppe. Mark drehte sich um, sah hin. Fitz gab es noch, die Fenster waren hell erleuchtet. Drinnen saßen Erwachsene, Kinder. Väter und Söhne.
    Mark setzte sich auf die Bank. Er lauschte. Obwohl Short North mit seinen menschenwimmelnden Gehsteigen gleich rechts von ihm lag, hörte er nur den kalten Wind, der über die Dächer und Baumwipfel des Village strich, das Ächzen und Knarzen der Äste. Er war sich zu hundert Prozent sicher.
    Er stand auf und ging nach Westen, hinein in die Wohngebiete: Villen rechter Hand, der Goodale Park ein schwarzes Loch zu seiner Linken.
    Er war nicht bis zur nächsten Ecke gekommen, da krachte er mit der Schulter schmerzhaft gegen den Pfosten eines Stoppschilds. Zum wiederholten Mal zählte er die Biere nach, die er getrunken hatte. Bald war ein Taxi fällig. Aber er hatte weder Lust, das Geld auszugeben, noch Chloe – Allison – zu erklären, wo er gewesen war.
    Er hatte ihre Namen durcheinandergebracht. Er hasste das. Allison war Allison, und Chloe war Chloe. Unmöglich, sie zu verwechseln.
    Ein Stückchen noch. Bis sein Kopf klarer wurde.
    Er stapfte weiter, Haus um Haus um Haus, hob vorsichtig die Füße über die rissigen, aufgeworfenen Platten des dunklen Gehwegs. Schlafzimmerfenster über ihm glühten orange, ihre Scheiben perlend von Hitze.
    Nach vier Blocks stand er an der Neil Avenue, vor dem Giant Eagle Supermarkt – als sie noch hier gewohnt hatten, war es ein Big Bear Store gewesen. The Big Ol’ Bear , hatten sie immer gesagt. Man musste es mit Bärenstimme sagen, der von Baloo. The big ol’ redneck singing bear .
    Bei Big Bear kaufte man nur das Überlebensnotwendige. Cheerios für Brendan, kastenweise Gingerale für Chloe, Cola für ihn. Zahllose Packungen Windeln und Toilettenpapier und die Tiefkühl-Pestopizzen, die sie alle so mochten. Manchmal Guinness oder Merlot für Chloe. Einmal demütigenderweise auch Kondome, als Chloe die Pille plötzlich nicht mehr vertrug. Eine Schachtel Kondome – das ideale Mittel, um einem Mann all den Sex vor Augen zu führen, den seine Frau nicht mit ihm hat. Er hatte Brendan eine Zeitschrift in die Hand drücken müssen, damit der sich nicht die Packung griff und laut die Beschriftung vorlas.
    Brendan, der summend den Einkaufswagen vor Mark herschob.
    Der stimmlos vor sich hin singend auf dem Wohnzimmerteppich hockte und eins seiner Actionmännchen herumwackeln ließ.
    Der nach seinem Daddy rief.
    Nein.
    Mark folgte der Neil Avenue nach Norden. Vier Blocks, fünf. Der Anblick jedes Hauses so vertraut wie das Ziehen einer alten Wunde. Verkehrsrauschen neben ihm – die Neil Avenue war so befahren, dass Brendan, bis er sechs wurde, hier immer an Marks Hand hatte gehen müssen.
    Jetzt war seine Hand leer. Kalt und zur Faust geballt in seiner Manteltasche.
    Da vorn kam die alte Abzweigung, 4th Avenue. Der Weg nach Hause.
    Zwei Möglichkeiten. Allie musste inzwischen daheim sein, und er hatte sie noch nicht einmal angerufen. Sie würde sich Sorgen machen. Er konnte ein Taxi nehmen und heimfahren. Ihr sagen, dass er mit Lew versackt war. Sich entschuldigen.
    Oder er konnte sich links halten und den vertrauten Weg vom Laden nach Hause gehen. Fünf Minuten, dann hätte er die Locust Avenue erreicht und würde das Haus sehen, sein altes Haus, ihr altes Haus, das kein Spukhaus war, weil es so etwas wie Geister nicht gab.
    Er war sich zu hundert Prozent sicher.
    Also nach links.
    Die Straßen hier waren dunkler, die Gehsteige noch holpriger. Er schnitt schräg über die Harrison Avenue, zu den Straßen, die alle nach den Staaten benannt waren, die man sonst immer nur überflog. Der Asphalt wurde von Kopfsteinpflaster abgelöst. Er überquerte Iowa. Pennsylvania. Er war ein Flugzeug, das lautlos über den schwarzen Himmel zog.
    Dann bog er links in die Michigan Avenue. Einen Block weiter begannen die großen Villen – das Herz des Victorian Village, wo kein Haus unter hundert Jahre alt war und abschüssige, grasbewachsene Vorgärtchen mit altem Eichen- und Ahornbestand zum Gehweg und den buckligen Straßen hinunterführten. Die rechtwinkligen Kreuzungen wichen gepflegten Kreisverkehren. Hier herrschten Ruhe und Frieden und ererbter Reichtum.
    Einmal noch rechts abgebogen, auf die Locust Avenue. Und nun kam der namenlose kleine

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