An einem Tag im Januar
Glühweingewürz. Die Luft duftete nach Zimt. In allen Fenstern funkelten elektrische Kerzen.
Verdient hatte er es nicht, sagte er sich und dachte an die Silhouette des Jungen im Fenster und an Lew, den er so brüsk hatte stehen lassen. Er zog Allie vor dem Kamin in seine Arme. »Danke«, sagte er. »Danke, dass ich dir das wert bin.«
Sie schmiegte sich an ihn. »Dummerweise vergebe ich dir nur unter der Bedingung, dass du mich hochträgst.«
Er nickte. Sah ihr in die Augen. Was für ein Glück er hatte. Lange Zeit hatte er das nicht empfinden können, aber jetzt empfand er es. Zum ersten Mal, seit Connie Pelham ihn in der Buchhandlung angesprochen hatte, regte sich Begehren in ihm.
»Wenn’s nur das ist«, sagte er. »Was immer du willst.«
Als sie etwas später schläfrig auf dem Sofa fernschauten, schrillte die Türklingel.
Mark sah fragend zu Allie, die die Achseln zuckte – und dann verengten sich ihre Augen.
»Wenn das sie ist«, sagte Mark, »ruf die Polizei. Warte nicht, bis ich sie hinauskomplimentiert habe.«
Er drückte Allie sein Telefon in die Hand, ging zum Fenster und zog den Vorhang zur Seite. Eine Frau stand unter dem Vordach, und so sehr war er auf den Anblick von Connie Pelham eingestellt, dass er Chloe mit ihrem langen schwarzen Mantel und der Wollmütze gar nicht gleich erkannte. Doch dann sah er das blonde Haar, das ihr um die Schultern fiel, ihren schmalen rosa Nasenrücken. Einen Moment lang dachte er, sie komme in einem Chloe-typischen Anfall weihnachtlichen Überschwangs, um ihren Frieden mit der Sache zu machen, ihnen vielleicht sogar Plätzchen zu bringen. Zuzutrauen war es ihr.
Aber dann wandte Chloe den Kopf und sah ihn. Ihre Augen waren rot und nass und verschwollen, ihr Mund schmal, bitter. Dieses Gesicht kannte er. Chloe kochte vor Wut.
»Wer ist es?«, wollte Allison hinter ihm in der Diele wissen. Mark brachte es nicht fertig zu antworten. Er schob den Riegel zurück und öffnete. Eine Welle eisiger Luft traf ihn.
»Mark«, sagte Chloe mit zittriger Stimme.
Er brauchte nicht zu fragen, was passiert war.
»Komm rein«, sagte er.
»Nein.« Sie kniff die Lider zusammen, mehrmals. »Ich weiß nicht, was ich überhaupt noch sagen soll.«
Er schwieg.
»Ich habe mit Connie Pelham gesprochen. Sie war vorhin bei mir.« Chloes Blick bohrte sich in seinen. »Du hattest nicht vor, es mir zu erzählen?«
Mark spürte Allison dicht hinter sich. Chloe sah kurz über seine Schulter und dann wieder zu ihm zurück.
»Hallo, Chloe«, sagte Allie.
Chloe drückte sich ihre Hand im Fäustling an die Augen. »Es ist unfassbar. Obwohl – nein, eigentlich nicht. Du bist zu so was in der Lage. Du schon.«
»Allie«, sagte Mark, »ich glaube, Chloe und ich sollten kurz unter vier Augen reden.«
»Es gibt nichts zu bereden«, sagte Chloe.
»Bist du sicher?«, fragte ihn Allie, eine Schärfe in der Stimme. Er nickte nur kurz, dann trat er unter das Vordach und zog die Tür hinter sich zu.
Die Kälte war schneidend. Er begann sofort zu schlottern. Chloe öffnete und schloss den Mund. Aber es wollte nichts herauskommen, und das brachte sie nur noch mehr auf.
»Schau«, sagte er. »Dir ging’s nicht so besonders, als wir uns das letzte Mal gesprochen haben. Ich dachte einfach, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist.«
»Ach, leck mich doch, Mark! Mir von – von der da erzählen, das schaffst du!« Chloe reckte den Finger in Richtung Wohnzimmerfenster. »Aber das soll zu viel für mich sein? Unser Sohn ist vielleicht … ist vielleicht noch …«
Er traute seinen Ohren nicht. »Moment mal. Du glaubst ihr doch nicht etwa?«
»Was weiß denn ich?«, schrie sie. »Sie denken, Brendan ist noch da! Und du findest das nicht – du findest das unwichtig ?«
»Verdammt!« Nach all der Anspannung, all den schlaflosen Nächten der letzten Wochen war es um seine Selbstbeherrschung geschehen. »Connie Pelham ist nicht ganz dicht. Deshalb habe ich dir nichts davon gesagt. Überleg doch – ihr Sohn hat irgendwas über Brendan gehört, und es hat ihm Angst gemacht. Er phantasiert irgendwelches Zeug zusammen. Mehr ist an der Sache nicht dran.«
Chloe starrte ihn an. »Sie haben ihn jetzt beide gesehen.«
Er schaute weg, die Straße entlang in den Lichtschein der Innenstadt mit ihren rot und grün angestrahlten Gebäuden. Dahinter lag das Victorian Village.
»Ich glaube dieser Frau kein Wort«, sagte er. »Und du solltest ihr auch nicht glauben.«
Chloes Augen und Nase hatten nahezu den
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