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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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war mit einer geflochtenen Drahtschnur daran festgemacht. Er schlug die Taxiunternehmen auf und wählte die erstbeste Nummer.
    Er würde sich zu seinem Auto bringen lassen. Er konnte selbst heimfahren. Er war ein Vollidiot, aber betrunken war er nicht, jetzt nicht mehr.
    Er hatte keinen Geist gesehen. Er hatte nur Connies Sohn gesehen. Jacob, so hieß er. Jacob, der in Brendans Zimmer schlief. Jacob, der gelogen hatte. Mark wusste es ganz sicher.
    Ein ums andere Mal sagte er sich das. Auf der Taxifahrt durch die dunklen Straßen des Village. Während er sein Auto vorsichtig über Nebenstrecken heimwärts lenkte. Als er die Haustür aufschloss. Als er Allison – die ängstlich im Wohnzimmer auf ihn wartete – erzählte, dass er mit Lew unterwegs gewesen sei. Als er sich entschuldigte, dass er seine Nachrichten nicht abgerufen hatte. Als er ihr versicherte, dass er vollkommen fahrtüchtig war. Als sie ihn unten an der Treppe fragte, ob er nicht mit ins Bett kommen wolle, und er sie vertröstete – gleich.
    Er hatte ein lebendiges Kind gesehen, sagte er sich. Weiter nichts.

ELF
    Allison hatte die ganze Woche über Vorbereitungen für Sams und Helens Ankunft am vierundzwanzigsten getroffen. Sie hatte das Haus hingebungsvoll geschmückt, Lichterketten an den Wänden entlanggespannt, eingekauft – sein Vater hatte sich ausbedungen, dass sie sich gegenseitig nichts schenkten, aber das war mit Allison nicht zu machen, und mit Sam und Helen, so Marks Verdacht, auch nicht.
    Allie – Mark konnte es nicht anders sagen – ging dieses Weihnachten genau auf die Art an, die er mittlerweile hasste wie die Pest: mit Erledigungslisten, die abgearbeitet sein wollten, und einem ästhetischen Anspruch, dem es zu genügen galt, so als würden sie aus dem Viertel gejagt, wenn sie auch nur einmal danebenlangten, als würden Helen und Sam ihnen vor die Füße spucken und empört abrauschen nach Indiana.
    Und so musste Mark, als er am Morgen nach seinem Ausflug ins Victorian Village mit dröhnendem Schädel aufwachte, einen elendiglichen Sonntag damit zubringen, mit Allie all das aufzutreiben, was sie noch zu brauchen meinte, einschließlich – Mark schien es absurd spät dafür, aber Allie war nicht davon abzubringen – elektrischer Kerzen für die straßenseitigen Fenstersimse.
    Er versuchte, geduldig und gutgelaunt zu bleiben. Versuchte, das Abenteuer der letzten Nacht – seine schmachvolle Angst – für sich zu behalten. Aber auf dem Parkplatz des x-ten Heimwerkermarkts, aus dem sie unverrichteter Dinge abzogen, herrschte er sie doch an: »Dir ist schon klar, dass mein Vater einen Dreck auf solchen Schwachsinn gibt? Lassen wir’s einfach, ja?«
    Allison, die am Steuer saß, atmete tief durch. Sie ließ den Motor an, legte den Gang ein, fuhr los.
    »Diese Zeit im Jahr ist sicher nicht leicht für dich«, sagte sie mehr zu sich selbst.
    Mark schluckte gewaltsam alles hinunter, was ihm auf der Zunge lag. Allie sah ihn über das Lenkrad an und wartete auf eine Reaktion, und weil er irgendetwas sagen musste – weil auch Gayle gewollt hätte, dass er antwortete, und weil verdammt noch mal Weihnachten war –, sagte er: »Stimmt.«
    Dann erst begriff er: Allie hatte das Schmücken so lange aufgeschoben, weil sie dachte, dass ihm Weihnachten zusetzen musste. Nur deshalb war sie schon den ganzen Tag so nachsichtig mit ihm.
    Sie lag nicht ganz falsch damit. Weihnachten kam ihn hart an, und während der Jahre seines Alleinlebens hatte er es nach Möglichkeit ignoriert. Aber jetzt? Er konnte die Geschenke, die sich unter ihrem Baum anhäuften, nicht sehen, ohne daran zu denken, wie Brendan sich über seine Päckchen hergemacht hatte – als Krabbelkind mit Schmollmund und Hängebacken wie Hitchcock, das feierlich das Geschenkpapier zermetzelte. Als Fünfjähriger, der ihn und Chloe morgens um vier mit aufgeregtem Flüstern weckte: Die Geschenke sind da! Als Siebenjähriger, den das Fahrrad, das Mark aus dem Esszimmer schob, in einen solchen Glückstaumel versetzte, dass er wie ein Irrer auf und ab hüpfte und Dad! Dad! Dad! schrie.
    Mark nahm Allies Hand, schloss die Augen, ließ sich von ihr fahren.
    Am späten Nachmittag schließlich war alles geschafft. Sie hatten einen Baum mit Kerzen und Lametta, und darunter lagen silbern eingepackte, mit blassblauen Bändern umwickelte Päckchen. Bunte Lichtergirlanden schwangen sich in anmutigen Bögen die Wohnzimmerwände entlang. Sie hatten eine gefrorene Ente und einen Sack Yamswurzeln und

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