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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Daddy breitete die Arme aus, und Brendan wollte sich hineinwerfen, und da ließ Daddy – weil Daddy manchmal so ungeschickt sein konnte und vielleicht auch, weil er so überrumpelt war – seine Flasche fallen, sie zerbrach auf dem Boden, und damit brach auch der Bann, Daddys Gestalt fing zu flackern an und verlosch, und Brendan war wieder allein, er schrie Daddys Namen, aber Daddy war weg …
    … und obwohl Brendan rief und immer weiterrief, kam Daddy nie wieder. Obwohl Daddy wusste, dass Brendan da war, war er für immer gegangen, und Brendan, der Schattenjunge, blieb zurück, allein in seinem Schattenhaus für Jahrmillionen …
    Es war dunkel. Mit bebenden Fingern tastete Mark über sein Gesicht, das feucht war.
    Er stand vom Sofa auf. Sein Herz klopfte wie wild. Er schlurfte in die Küche, trank ein Glas Wasser hinunter, noch eines. Ließ kaltes Wasser in seine Hände laufen und schwappte es sich ins Gesicht. Er war noch immer allein im Haus. Er nahm sein Telefon, um Chloe anzurufen, ließ es dann aber doch bleiben.
    Ein Traum. Es war alles ein böser Traum. Er stieg die Treppe hinauf und legte sich aufs Bett.
    Irgendwann später merkte er, dass Licht brannte, dass Allie neben ihm unter die Decke schlüpfte.
    »Da bist du ja«, sagte er mit schwerer Zunge.
    »Ja, endlich«, sagte sie.
    »Mir ist irgendwie schlecht geworden«, sagte er. »Tut mir echt leid.«
    »Ich dachte schon, ich rieche so was«, sagte sie. Sie legte ihm eine kühle Hand auf die Stirn. »Du bist ganz heiß.«
    Er hob den Arm, sie rückte dichter an ihn heran. Ob er immer noch Whiskey ausdünstete? Wenn, dann kommentierte Allie es jedenfalls nicht. Stattdessen begann sie von Darlene zu erzählen. Es war furchtbar gewesen, sagte sie. Darlene hatte fast die ganze Zeit durchgeweint. Tim hatte sie offenbar mit drei verschiedenen Frauen betrogen. Darlene – psychisch ohnehin nicht die Stabilste – hatte Allie gesagt, dass sie Selbstmordgedanken hatte.
    »Ich habe sie jetzt zu Mom gebracht.« Allie stieß einen langen, seufzenden Atemzug aus. »Wahrscheinlich sollte ich nächstes Wochenende noch mal hin.«
    »Natürlich.«
    »Und was hat dich geritten, dass du in diesem Sturm rausgehst?«, fragte Allison dann.
    Vielleicht roch sie es ja doch.
    »Du heiratest einen Idioten«, sagte er. »Darauf läuft’s unterm Strich wohl hinaus.«
    »Und ich heirate ihn gern«, sagte sie und legte sich unter der Decke zurecht. »Egal, was er anstellt.«
    Wir ziehen das durch, wir beiden; wir kneifen nicht bis zum Schluss.
    »Ich bin glücklich, wieder daheim zu sein«, sagte sie.
    »Ich auch«, sagte er, obwohl es keinen Sinn ergab.
    Er hielt sie an sich gedrückt, während ihre Atemzüge tiefer wurden. Der Arm starb ihm ab.
    Er dachte an Chloes Stimme am Telefon. Das Schwingen darin.
    Das war Glück. Das wusste er. Weil er es selbst so erlebt hatte.
    Glück war, was man empfand, wenn man nicht mehr verloren war – wenn man lange, lange weinend im Dunkeln umhergeirrt war und der Mensch, den man liebte und nach dem man sich all die Zeit gesehnt hatte, plötzlich vor einem stand.

FÜNFZEHN
    Mark versuchte, er selbst zu sein; er versuchte es mit aller Macht. Aber er war nicht er selbst. Nicht mehr.
    Tagsüber arbeitete er. Die Geschäfte nahmen wieder Fahrt auf, nun da die Feiertage um waren, und sie konnten das Geld brauchen – zwar hatten sowohl er als auch Allison Ersparnisse, aber er rechnete damit, dass die Hochzeit ein tiefes Loch hineinreißen würde, und danach wollten sie ein Haus kaufen. Zum ersten Mal machte Mark Kaltakquise – rief bei Unternehmen überall in der Stadt an und erkundigte sich, wie ihre Weihnachtsgeschäfte gelaufen waren. Ob ihre Websites ihren Zweck erfüllt hätten. Ob sie an einem Beratungstermin interessiert seien.
    Aber es kam ihm alles so unecht vor. Er saß in seinem Büro und bewegte die Maus und entwarf Websites, die in ein paar Monaten durch neue ersetzt werden würden – verwandte Stunden auf Bilder, die durch einen Tastenklick wieder gelöscht werden konnten. Immer deutlicher empfand er, dass er nichts schuf – nichts als Bilder aus Licht, wie Träume, wie Geister.
    Jede wache Minute rechnete er damit, dass Chloe sich wieder bei ihm meldete. Zwei Tage nach ihrem Anruf hatte er seine Handynummer geändert, aber dennoch jagte das Adrenalin durch seinen Körper, sooft das Telefon klingelte, sooft sein Computer mit diskretem Dingdong eine eingehende E-Mail ankündigte, sooft auf dem Kopfsteinpflaster draußen Autoreifen

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