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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Pearls Rückkehr berichtet hatte, blieb es erst einmal still. Dann fragte Basil, dem das Sprechen hörbar schwerfiel, wann sie vorbeikommen und sie sehen könnten. Jederzeit, antwortete Riley.
    Â»Danke, John. Ich weiß das zu schätzen. Ich sage Vera Bescheid.«
    Pearl kam wieder ins Wohnzimmer. »Annie erinnert sich nicht an mich«, sagte sie.
    Â»Es ist ja auch viel Zeit vergangen. Drei Jahre.«
    Sie stand vor ihm, die Hände ineinandergekrampft.
    Angestrengt sagte er: »Ich denke schon, dass sie sich an dich erinnert, aber die Erinnerungen sind vielleicht in ihrem Gedächtnis vergraben.«
    Â»Ich hatte mir fest vorgenommen, nichts zu erwarten. Aber man kann einfach nicht anders, nicht?«
    Â»Wie geht es dir, Pearl?«
    Â»Besser, viel besser.« Sie sah sich im Zimmer um und kniff die Augen zusammen, als hätte sie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. »Ich musste einen Weg finden, um leben zu können. Ich weiß, dass das, was ich getan habe, unverzeihlich ist, und ich kann verstehen, wenn du mich hasst. Aber wenn ich mich gemeldet hätte, wärt ihr mir nachgekommen, du oder mein Vater, und dann wäre es wieder schiefgegangen.«
    Er sah auf die Uhr. Gleich sechs – ach, zum Teufel.
    Â»Möchtest du etwas trinken?«
    Â»Nein, danke, ich trinke keinen Alkohol mehr.« Pearl nahm eine Packung Player’s aus ihrer Handtasche und klopfte eine Zigarette heraus. »Das Rauchen aufzugeben habe ich leider nicht geschafft.«
    Riley schenkte sich einen Whisky ein. »Pearl, wir müssen reden.«
    Â»Ich weiß. Ich möchte die Scheidung, John.« Sie zündete ihre Zigarette an und sah ihm fest in die Augen. »Das ist einer der Gründe, warum ich zurückgekommen bin. Es tut mir leid, dass ich so – so direkt bin.«
    Â»Ist schon in Ordnung.« Er brauchte einen Moment, um ihre Worte aufzunehmen, dann war ihm, als hätte er einen Riesenschlag erhalten, und zugleich fühlte er sich ungeheuer erleichtert.
    Â»Warum hast du nicht einfach geschrieben?«, fragte er. »Wozu diese dramatische Rückkehr?«
    Â»Das wäre feige gewesen. Ich fand, ich wäre es dir schuldig, von Angesicht zu Angesicht mit dir zu sprechen. Und ich wollte, dass du verstehst.«
    Â»Verstehen? Was denn?« Zorn lag in seiner Stimme. »Hast du eine Ahnung, was du angerichtet hast? Keiner von uns wusste, ob du überhaupt noch lebst. Und dann Annie. Was glaubst du wohl, wie es für sie war? Wie konntest du ihr das antun – wie konntest du einfach verschwinden und sie in dem Glauben zurücklassen, sie würde dir einfach nicht genug bedeuten?«
    Â»Glaubt sie das?« Ihr Blick war entsetzt und verzweifelt, und sie drückte die Hand auf den Mund.
    Mit Mühe gelang es ihm, sich zu beherrschen. Er atmete tief aus. »Ich habe ihr gesagt, dass du sie liebst. Jeden Tag habe ich ihr das gesagt.«
    Â»Danke«, flüsterte sie.
    Es war still im Zimmer. Pearl wischte sich die Tränen ab.
    Â»Setz dich. Erzähl mir, wie es dir geht.«
    Â»Es geht mir gut.« Sie lächelte zaghaft, mit einem Schimmer der Hoffnung. »Ich habe entdeckt, dass es für mich besser ist, allein zu leben. Wenn ich wütend bin oder unglücklich, belaste ich niemanden damit. Ich mache einfach einen langen Spaziergang am Meer.« Sie knetete die Manschette ihrer Jacke zwischen Daumen und Finger. »Ich habe einen netten Arzt in St. Ives, der mir neue Tabletten verschrieben hat, die ich besser vertrage als die früheren. Wenn ich merke, dass ich wieder krank werde, nehme ich einfach welche. Ich weiß, dass es nicht anders geht. Mittlerweile ist mir klar, dass dieser grässliche Psychiater recht hatte. Ich werde immer Medikamente nehmen müssen und nie richtig gesund sein.« Sie ließ den zerknitterten Jackenärmel los und sah ihn an, das Gesicht fleckig vom Weinen.
    Â»Ich habe immer Angst gehabt, dass Annie so werden würde wie ich. Ich habe es nicht ausgehalten, sie jeden Tag anzusehen und ständig fürchten zu müssen, dass dieses entzückende kleine Mädchen einmal so enden wird wie ich. Ich liebe sie so sehr. Die Leute reden von gebrochenen Herzen, und man glaubt, das wäre nur so eine Redensart, bis es einem selbst passiert. Ich hatte Angst, wenn ich hierbliebe, würde ich sie irgendwie anstecken. Ich musste gehen. Seitdem denke ich jeden Tag an sie, jede einzelne Stunde.«
    Flüchtig

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