An einem Tag im Winter
Lagerhaus gelockt worden. Riley vermutete Letzteres.
Jetzt versuchten Riley und sein Team, Clancys Aktivitäten während seines Aufenthalts in London zurückzuverfolgen und zu klären, warum er in diesem Lagerhaus hatte sterben müssen. In den Wochen vor seinem Tod hatte Clancy zur Untermiete in einem Haus in der Nähe des Borough Market in Southwark gewohnt. Inzwischen war eine westindische Familie in das Zimmer eingezogen; da die Leute nicht wussten, was sie mit seinen Sachen anfangen sollten, hatten sie sie in einen Karton gepackt, den sie bei der Haus-zu-Haus-Befragung einem der Beamten übergaben. Darin befand sich unter anderem ein Adressbuch mit der Anschrift eines Hauses in Camden, für das sich Riley schon seit einiger Zeit interessierte und dessen Mieter ein Kleinkrimineller namens Terry Curran war. Der Mann hatte bereits mehrmals wegen Hehlerei gesessen und verkehrte in denselben Kneipen wie Rex White, der in Nord-London eine Reihe Spielkasinos und Bordelle betrieb.
Riley hatte Mr. Rossiter, dem Eigentümer des Lagerhauses, immer wieder auf den Zahn gefühlt, bis dieser einen teuren Anwalt hinzugezogen hatte, welcher der Polizei Nötigung seines Mandanten vorwarf. Der teure Anwalt hatte in der Vergangenheit schon Bernie Perlman vertreten, der ähnliche Geschäfte betrieb wie Mr. Rossiter. Rossiter, seinen Anwalt und Perlman konnte man manchmal im Blue Duck in Mayfair an einem Tisch beisammensitzen sehen. Aber wenn auch White und Perlman viel gemeinsam hatten â Geldgier und eine Vorliebe für Terror und Gewalt â, waren sie doch scharfe Konkurrenten. Jeder der Londoner Gangsterbosse hatte sein eigenes Revier, die Herrschaft über ein Gebiet, die er mit Schutzgelderpressung und Brutalität durchsetzte. Bernie Perlmans Revier umfasste die Borough und ein groÃes Gebiet auf der Südseite des Flusses. Grenzverletzungen â wenn beispielsweise jemand seinen Handlanger in fremdem Revier wildern lieàâ konnten Bandenkriege auf Leben und Tod auslösen. Riley hielt es für wahrscheinlich, dass George Clancy für Rex White irgendwelche niederen Dienste verrichtet hatte und irgendwie, vielleicht durch Zufall, auf das Lagerhaus in der Great Dover Street mit seiner heiÃen Ware gestoÃen war. Und dass dieses Lagerhaus von Bernie Perlman genutzt wurde. Die Ermordung Clancys hatte, so vermutete Riley, eine Warnung sein sollen.
Er lieà das Haus in Camden von Sergeant Davies und einem Constable beobachten. Doch eines Abends, der Constable war nur Chips kaufen gegangen, war Davies in seinem Ãbereifer leichtsinnig geworden und hatte einen Lieferwagen inspiziert, der vor dem Haus parkte. Am nächsten Morgen erschien er mit einem blauen Auge und diversen Blutergüssen im Büro. Nachdem Riley ihm für seine Eigenmächtigkeit gehörig die Leviten gelesen hatte, lieà er sich die Männer beschreiben, die den Sergeant überfallen hatten. Der eine sei klein und glatzköpfig gewesen und habe ausgesprochen dumm ausgesehen, berichtete Davies; der andere â der Mistkerl, der ihn in den Magen getreten hatte â habe kurzes, rotblondes Haar und ein blasses, schwammiges Gesicht gehabt. Er habe ihn an einen Geist erinnert, fügte Davies schaudernd hinzu. Riley, überrascht über diese Furcht vor Ãbersinnlichem, befahl ihm, seinen Bericht zu schreiben und dem Polizeizeichner bei der Anfertigung eines Phantombilds zu helfen.
Bisher zeigte sich keine Verbindung zwischen den verschiedenen Komponenten â dem Mord, der Hehlerware, den Bandenrivalitäten. Riley konnte zwar einige der Spinnen erkennen, die die Fäden zogen, aber nicht das Netz. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich die Akten, auf den Regalen und dem FuÃboden ebenso. Irgendwo in diesen Bergen von Papier versteckte sich womöglich das entscheidende Indiz, das er brauchte, um Perlman und White vor Gericht zu bringen. Buchstaben und Zahlen tanzten vor seinen Augen; der Inspector schob die Papiere in die Akte zurück und klappte sie zu.
Riley stand auf und trat ans Fenster. Während er auf die Dächerlandschaft hinausblickte, über der die dünnen Rauchfäden qualmender Kamine standen, dachte er an Ellen. Mehr als zwei Wochen waren vergangen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Ihrer beider Arbeit, Annie und eine gewisse misstrauische Vorsicht von seiner Seite waren schuld daran, dass sie einander nur unregelmäÃig
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